… Nachdem ich das Fitzroy Hotel ausgiebig bestaunt und abgelichtet hatte, durchquerte ich den kleinen Park am Russell Square, bog um eine Ecke – und sah mich am Ende einer enorm langen Menschenschlange. Es war kurz nach Zehn, die Pforten des British Museums hatten sich erst vor kurzem geöffnet. Ich stellte mich innerlich auf eine ausgiebige Wartezeit ein, doch zum Glück wurde ich nach wenigen Minuten bereits von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes entdeckt, der mich zuvorkommend an all den anderen vorbei und ganz flugs durch eine Seitenpforte hinein schleuste…
… Als ich drinnen angekommen war, wusste ich zunächst vor Erschöpfung und Orientierungslosigkeit gar nichts rechtes mit mir anzufangen. Irgendwann geriet in den überdachten Innenhof, der früher als Lesesaal konzipiert gewesen war, und um die Jahrtausendwende nach einem Entwurf des englischen Star-Architekten Sir Norman Foster umgestaltet worden war. An die frühere riesige Kuppel kann ich mich so gut wie gar nicht mehr erinnern, meine erste Londonreise ist immerhin schon gute fünfundvierzig Jahre her. Die Neugestaltung fesselte mich auf Anhieb, ich verbrachte viel Zeit damit, herumzuschlendern, auch hoch in die dritte Etage zu fahren, und die Architektur auf mich wirken zu lassen…
… Allmählich wurde es Zeit für meine Londoner „Henkersmahlzeit“, ich begab mich ins feudale Museums-Restaurant im dritten Stock, um einen sehr feinen Afternoon Tea zu mir zu nehmen…
… Stillvergnügt schmauste ich eine geraume Weile vor mich hin und wähnte mich im Schlaraffenland, und fühlte, wie so nach und nach meine Lebensgeister wieder erwachten…
… Vom Parliament Square sind es nur wenige Schritte bis zur Westminster Abbey, einer der berühmtesten Kirchen der Welt, in der seit Wilhelm der Eroberer (1027/1028 – 1087) alle Könige und Königinnen Großbritanniens gekrönt wurden. Entstanden ist dieses mächtige Gotteshaus aus der bescheidenen Klosterkirche einer 960 gegründeten Benediktinerabtei. Unweit davon befindet sich die römisch-katholische Cathedral of Westminster, und nicht wenige Besucher:innen Londons verwechseln beide Kirchen miteinander. Letztere wurde seinerzeit auch als East Minster (östliches Münster) bezeichnet, die Abbey als West Minster (westliches Münster). Daraus entstand dann im Laufe der Zeit die Bezeichnung für dieses hoch politische Viertel Londons…
… In der Abbey befinden sich mehr als hundert Gräber von Herrscher:innen und Mitglieder des Hochadels, die bedeutendsten Dichter und Schriftsteller des Landes, sowie andere herausragende Persönlichkeiten wie z. B. Charles Darwin, Stephen Hawking, Laurence Olivier, Georg Friedrich Händel und Robert Stephenson. Ein Besuch ist, wie bei vielen anderen Londoner Sehenswürdigkeiten, nicht grade billig, lohnt sich aber. Man könnte bei all dem Sehenswerten ohne Mühe einen ganzen Tag in der Westminster Abbey verbringen…
… Ich verschob allerdings meine Besichtigung auf den nächsten London-Aufenthalt. Dafür, dass ich mich eigentlich den Tag über nur gemütlich spazieren fahren lassen wollte, war ich schon wieder viel zu viel gelaufen – beinahe neun Kilometer -, und die Öffnungszeit beinahe vorüber. Zudem war ich mental bei all den Informationen und Eindrücken, die ich an diesem vierten Tag vom frühen Vormittag an förmlich aufgesogen hatte auch nicht mehr allzu aufnahmefähig…
… In direkter Nähe zur Westminster Abbey befindet sich das Royal College of St. Peter, auch Westminster School genannt, eine der bedeutendsten britischen privaten Internats- und Tagesschulen. Ihre Geschichte reicht bis Ende des 12. Jahrhundert zurück, als Papst Alexander III. die Benediktinermönche der Abtei dazu verpflichtete, eine Armenschule für Jungen zu gründen. Erst seit dem Jahr 1973 werden regulär auch Mädchen aufgenommen. Henry Purcell, Peter Ustinov, Christopher Wren und John Gieldgud sind nur einige der ehemaligen Schüler, die Weltruhm erlangten. Kindern aus den Familien von Normal- oder gar Geringverdienern steht das Institut seit langem schon nicht mehr offen. Die jährlichen Gebühren betragen zwischen fast 37.000 und ca. 53.000 englische Pfund – letzteres übertrifft das jährliche Durchschnittseinkommen in England bei weitem…
… Weil ich zwar bereits ziemlich müde war, aber als alter Sturschädel noch nicht genug hatte, ging ich noch ein Stückchen weiter Richtung Victoria Station, einer der Hauptbahnhöfe Londons, 1860 eröffnet, und quasi zweigeteilt, in einen Ost- und einen Westteil… 😉
… The Bag o’Nails – siehe oben – war in den Sechzigern ein Live Music Club, und viele sehr namhafte Interpret:innen traten dort auf, u. a. Jimi Hendrix, Eric Burden, Tom Jones, The Who und The Animals. Heute ist es ein gut frequentiertes Pub mit einigermaßen zivilen Preisen, und es finden nach wie vor Musik-Veranstaltungen statt…
… Ja, es gibt sie trotz Internet und Handy immer noch, die schönen, roten, typisch englischen Telefonzellen. Sir Giles Gilbert Scott hatte sie im Jahr 1924 für die britische Postbehörde entworfen. Es existieren noch 3.000 der ursprünglichen ca. 100.000 in ganz England. Seit 2001 sind sie als schützenswerte Gebäude durch eine private Initiative registriert. Man kann eine rote Telephone Box in restauriertem Zustand für ca. 2.000 Pfund käuflich erwerben, eine nicht renovierte sogar schon für ein Pfund, wenn man sich dazu verpflichtet, sie zu erneuern und umzuwidmen. Telefonieren kann man mittlerweile in den meisten nicht mehr, sie wurden vielerorts zu Kunstobjekten, Standorten für Defibrillatoren, Mini-Büchereien, Gewächshäuser, Werbeflächen, Kleinst-Galerien oder sogar zum kleinsten Pub Englands (Sepreth in Cambrigdeshire) umfunktioniert…
… Nun war ich aber wirklich am Ende meiner Kräfte angelangt. Ich erklomm den nächsten Tourbus, der mich am Hyde Park entlang zur Wellington Arch und drum herum schaukelte, dann über die Green Street zum Piccadilly Circus und Leicester Square, und ich schaute und staunte mit großen Augen. Gar zu gerne wäre ich noch einige Male ausgestiegen, doch die Stimme der Vernunft mahnte zur Mäßigung – und ausnahmsweise hörte ich auf sie. Am Trafalgar Square stieg ich in den Linienbus Nr. 91 um, der mich zum Bahnhof King’s Cross brachte. Mit ziemlich letzter Kraft schleppte ich mich in ein nahes indisches Restaurant, verspeiste ein gutes Fisch-Curry-Gericht, und suchte nicht lange danach mein Bettchen im Hotel auf. Schon wieder hatte ich an einem Tag mehr als zehn Kilometer zurückgelegt, und die trotz fast täglichem Gehtrainings ungewohnten Anstrengungen machten sich nun doch bemerkbar. Schon bald war ich in meine letzte Nacht in London hineingeschlummert…
… Ich ließ mich vom Tourbus bis zum Palace of Parliament chauffieren, obwohl ich schon gerne noch am Tower ausgestiegen wäre und mich dort ein wenig umgesehen hätte. Als wir an einem Pub mit dem Namensschild „Hung, Drawn and Quartered“ (Erhängt, ausgeweidet und gevierteilt) vorbei fuhren, bereute ich meinen Entschluss, sitzen zu bleiben, denn davon hätte ich nur zu gerne ein Foto gemacht. Na ja, das hole ich dann halt nächstes Jahr nach…
… An der Westminster Bridge verließ ich den Bus wieder und lenkte meine Schritte Richtung Parliament Square. Dort traf ich zunächst einen „alten Bekannten“, den Dudelsackspieler, der vor einigen Tagen auf der Brücke seine melancholisch-rhythmischen Weisen zum Besten gegeben hatte, und stieß dann auf eine kleine Pro-Palästina-Demo. Ich lief ein paar Schritte den Palace of Parliament entlang, bevor ich die Straße Richtung Platz überquerte…
… Auf dem Parliament Square sind etliche Statuen einstiger politischer Berühmtheiten Großbritanniens zu bestaunen. Unter anderem auch Winston Churchill, aus dem Hochadel stammend, zweimaliger Premierminister – er hatte England durch den Zweiten Weltkrieg geführt -, begeisterter Hobbymaler und Schriftsteller – was Vielen vielleicht nicht so geläufig sein dürfte: Churchill hatte 1953 sogar den Nobelpreis für Literatur verliehen bekommen. Und er hatte einen Sprachfehler, er konnte das „S“ nicht rein aussprechen. Und wenn er am Schluss seiner Ansprachen den König von England würdigte, dann hörte sich das stets ein bisschen so an wie „God shave The King!“ (Nach der Inthronisation Elisabeths II. 1953 natürlich dann „God shave The Queen!“, was natürlich noch weitaus erheiternder gewirkt haben muss) … 😉
… David Lloyd George, gebürtiger Waliser, umstrittener Premierminister während des Ersten Weltkriegs. Er hatte im Jahr 1911 einen Tumult im Oberhaus ausgelöst, weil er zur Finanzierung seiner sozialpolitischen Projekte die Erbschaftssteuer drastisch erhöht hatte. Zudem war er in einen Aufsehen erregenden Korruptionsskandal – Marconi-Skandal – verwickelt, wobei es allerdings nie gelang, ihm eine aktive Beteiligung nachzuweisen. 1913 wurde sein im Bau befindliches Landhaus von der oft recht militant agierenden Suffragette Emily Davison in die Luft gesprengt…
… Nelson Mandela und Mahatma Ghandi…
… Ein kleiner Demonstrationszug schob sich am Parliament Square vorbei. Er bestand aus Gegner:innen des amtierenden Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan, in England geborener fünfter Sohn pakistanischer Einwanderer, dessen Umwelt- und Verkehrspolitik nicht unumstritten, allerdings nebst seinem Engagement gegen den Miet- und Immobilienwucher und für soziale Projekte, wie z. B. der Eindämmung der grassierenden Obdachlosigkeit von der Mehrheit der Einwohner:innen gut geheißen wird. Die Gegner Khans, der übrigens das erste islamische Stadtoberhaupt ist, echauffieren sich vor allem über seinem Beschluss im Jahr 2023, die ULEZ – Ultra Low Emission Zone – auf den gesamten Stadtbereich auszuweiten. Innerhalb dieser Zone müssen Fahrzeuge mit einem erhöhten Schadstoffausstoß eine Art Maut bezahlen. Am 2. Mai – knapp eine Woche nach meiner Rückkehr aus London – fand die Wahl zum Lord Mayor statt, die Sadiq Khan zum dritten Mal mit großem Vorsprung vor seiner konservativen Gegnerin Susan Hall gewinnen konnte…
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… Habt einen schönen Tag, und kommt gut und unbeschwert ins erste EM-Wochenende, ihr Lieben…
… wird das Areal entlang des südlichen Themseufer zwischen London Bridge und Tower Bridge genannt. Hier ist teils überaus interessante moderne Architektur zu finden, es gibt jede Menge hippe und trendige Gastronomie, Geschäfte und Galerien, Kunst und Kultur. Auch wenn ich mir fest vorgenommen hatte, nicht mehr zu laufen, sondern mich nur mehr an Bord des Hop-on-Hop-of-Busses durch die Stadt chauffieren zu lassen – hier musste ich einfach aussteigen und mich ein wenig umsehen!…
… Nicht nur die teils gewagten Bauten und die schönen Ausblicke auf die Tower Bridge und die City of London ließen mich staunen und freuen, auch die manchmal grotesken, übergroßen Tierfiguren des australischen Künstlerpaares Gillie & Marc, die bereits durch etliche Aktionen weltweit Aufmerksamkeit erregt hatten, hatten es mir sehr angetan. Die Beiden wollten mit ihren Skulpturen, die bis Ende Mai noch zu sehen waren, allerdings nicht nur den Besucher:innen eine Freude machen, sondern auch auf Tierarten aufmerksam machen, deren Lebensraum und Verbreitung mittlerweile stark eingeschränkt und bedroht sind…
… Nun bleibst du aber wirklich sitzen!, ermahnte ich mich energisch, als ich nach einem ausgedehnten Rundgang wieder im Tourbus Platz nahm. Was ich dann auch schaffte – bis zum Westminster Square… 😉
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… Habt einen guten und möglichst stressfreien Tag!…
… Auch wenn die Wolkenkratzer der City of London Christopher Wrens größten Kirchenbau mittlerweile um ein Mehrfaches überragen – die große Kuppel ist dennoch der herausragendste Blickfang des Stadtzentrums – zumindest für mich…
… Ich bestieg nahe des London Eye den Hop-On-Hop-Off-Bus, bekam einen feinen Sitzplatz in der unteren Etage und war fest entschlossen, so schnell nicht wieder aufzustehen. Doch nachdem wir über die Waterloo Bridge entlang des Strands und der Fleet Street zu St. Pauls Cathedral gefahren waren, gab es für mich dann doch kein Halten mehr. Ich musste mir das alles unbedingt genauer ansehen!…
… Anstelle der jetzigen Kathedrale, eine der größten Kirchen der Welt, befand sich bis zum großen, drei Tage lang wütenden Brand in London im Jahr 1666 bereits ein im gotischen Stil in ca. 300 Jahren Bauzeit errichtetes riesiges Gotteshaus. Für den Neubau wurde der damals vierunddreißigjährige Astronom und Architekt Christopher Wren beauftragt, ein geradezu genialer Baumeister, dem London etliche herausragende Baudenkmäler verdankt. Bereits kurz nach dem Feuersturm legte Wren einen ersten Entwurf vor, der allerdings als zu radikal abgelehnt wurde. Erst im Jahr 1675 wurde nach mehreren weiteren bemängelten Plänen mit dem Neubau im Stil des klassizistischen Barocks begonnen. Fertiggestellt wurde St. Pauls Cathedral nach gut dreißigjähriger Bauzeit im 1708…
… Man muss den Kopf schon ordentlich in den Nacken legen, um zur 111 Meter hohen Kuppel aufzusehen…
… Die Fleet Street, Richtung St. Pauls Cathedral fotografiert. Sie galt ab dem 18. Jahrhundert als Zentrum der britischen Presse. Bereits die erste Tageszeitung, die im Jahr 1702 zum ersten Mal gedruckt wurde, hatte ihren Redaktionssitz dort. In den nächsten ca. dreihundert Jahren gesellten sich viele weitere Zeitungen und Nachrichtenagenturen hinzu – Daily Herald, Daily Telegraph, Sunday Express, The Observer, um nur einige zu nennen. Mittlerweile befinden sich hauptsächlich Anwalts- und Gerichtskanzleien in den einstigen Redaktionen und Büros. Benannt ist die lang gezogene Straße, die ab der Grenze zum Stadtteil Westminster dann in Richtung Westen The Strand betitelt wird , nach dem Flüsschen Fleet, der Mitte des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts komplett unterirdisch kanalisiert worden ist…
… Ein kleines Gässchen unweit St. Pauls Cathedral, still, pittoresk und lauschig. Als wäre die Zeit an diesem Ort stehen geblieben…
… Der westliche Teil der Fleet Street wird beherrscht vom Temple, quasi einem eigenen kleinen, in sich geschlossenen Stadtviertel und Zentrum der englischen Justiz. Bis ins 14. Jahrhundert war dieser Bezirk in Besitz der Tempelritter – daher auch der Name. Viele Anwaltskammern, Rechtsinstitutionen und Gerichtshöfe haben hier ihren Sitz…
… Während ich mit der Kamera im Anschlag die Fleet Street entlang spazierte, sah ich zwei ältere Damen, die eines der großen Tore des Inner Temple Bezirks aufstemmten und hinein gingen. Neugierig geworden beschloss ich, es ihnen gleich zu tun, und fand mich unversehens in einer ganz eigenen, stillen, beschaulichen Welt mit kleinen, romantischen Höfen, geheimnisvollen Durchgängen und der Temple Church wieder…
… In diesem kleinen Gotteshaus, das im 12. Jahrhundert erbaut wurde und die Hauptkirche des Templerordens war, wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Magna Carta ausgehandelt, immer noch einer der wichtigsten Grundpfeiler des englischen Rechts und der englischen Demokratie. Nach der Verfolgung und Zerschlagung des Templerordens gingen die Kirche sowie die umliegenden Gebäude, Wohnungen, militärischem Übungsgelände und Grundstücke in königlichen Besitz über. Bald danach entstanden die ersten beiden Anwaltsschulen…
… Auf einer Bank in einer der kleinen ruhevollen Oasen machte ich Pause, ließ den Frieden und das Fehlen jeglichen Lärms der großen, imposanten Stadt auf mich wirken und schöpfte neue Kraft. Und setzte dann meinen Spaziergang entlang der Fleet Street fort…
… Am Samstag, 27. April, meinem vierten Tag in London, sah es wettermäßig nicht wirklich prickelnd aus. Der Himmel war wolkenverhangen, die Luft kühl und feucht. Nun gut, dachte ich mir, nach der gestrigen Monstertour in Camden Town und entlang der Tottenham Court Road, bei der ich insgesamt ca. zwölf Kilometer zurückgelegt hatte, steht mir ohnehin nicht der Sinn nach viel Gehen, ich werde wohl den größten Teil der gebuchten Hopp-On-Hopp-Off-Stadtrundfahrt gemütlich im Bus verbringen…
… Ich wollte am London Eye zusteigen, einem der größten Riesenräder Europas – und bereits auf dem Weg dorthin warf ich meinen beim Frühstück gefassten Vorsatz wieder über den Haufen. Ich hatte mich über Nacht erstaunlich gut erholt, also fuhr ich mit der U-Bahn Circle Line bis zum Palace of Parliament, um von dort über die Brücke und entlang des Embankments aus zur Bushaltestelle zu spazieren…
… Nach seiner Errichtung 1998 bis 1999 hieß das zweitgrößte Riesenrad Europas eigentlich Millenium Wheel. An sich sollte es lediglich fünf Jahre in Betrieb sein, mittlerweile zählt es zu den markantesten Wahrzeichen Londons. Es misst 135 Meter in der Höhe und besitzt 32 bodentief verglaste und klimatisierte Gondeln, in denen jeweils 25 bis 28 Personen Platz finden. Diese Gondeln befinden sich außerhalb des Rades, was eine uneingeschränkte Panorama-Aussicht ermöglicht. Das London Eye bewegt sich so langsam, dass man während der Fahrt zusteigen kann. Eine Runde dauert ca. eine halbe Stunde, und bei gutem Wetter soll die Fernsicht bis zu vierzig Kilometer betragen, unter anderem sei das außerhalb Londons gelegene Schloss Windsor gut zu erkennen…
… Für eine Runde Riesenrad vor der Fahrt mit dem Hop-On-Hop-Off-Bus wäre nun am Vormittag – es war gegen halb Elf – die beste Gelegenheit gewesen, es herrschte nur sehr wenig Betrieb. Gereizt hat es mich durchaus, aber der eher suboptimalen Wetterbedingungen wegen verzichtete ich dann doch darauf. An der Kasse hätte ich vierzig Pfund berappen müssen, bei guter Sicht und klarem Himmel hätte ich das gerne gezahlt, ich beschloss jedoch nach einigem Sinnieren, das Geld lieber in einen schönen und stilvollen Afternoon-Tea am Sonntag im British Museum zu investieren…
… Just dort, wo nun das London Eye in die Höhe ragt, hatte im Jahr 1951 The Festival of Britain stattgefunden, eine von der britischen Regierung organisierte Ausstellung und Messe, die nationale Beiträge der Wissenschaft, Technologie, Design, Architektur und der Künste einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In nur knapp zwei Jahren wurde die heruntergekommene Dockside South Bank in ein buntes Ausstellungsgelände verwandelt. Zwei der Attraktionen waren The Dome of Discovery, ein futuristischer Riesenbau mit Planetarium, und The Skylon, eine ca. hundert Meter hohe raketen- bzw. raumschiffartige Skulptur aus Aluminiumverstrebungen und Glas, die nachts beleuchtet war. Leider, leider, leider hat man dieses höchst interessante Kunstwerk 1952 zusammen mit den meisten anderen Bauwerken des Festival of Britain wieder abgebaut und verschrottet. Ein Modell des Skylon kann man im Museum of London besichtigen…
Das Skylon bei Nacht 1951 – Copyright by Wikipedia
… Unweit des London Eye erinnert ein Bodendenkmal an das Festiva of Britain…
… Ich trieb mich eine Weile beobachtend und fotografierend am London Eye herum, bevor ich meinen Weg zur Haltestelle des Hop-On-Hop-Off-Busses fortsetzte. Des häufig eher suboptimalen Lichts an diesem Tag wegen habe ich mich nach meiner Rückkehr beim Sichten der Bilder dazu entschlossen, etliche in Schwarz-Weiß zu bearbeiten. Hier nun einige Impressionen…
… Kommt gut und möglichst unbeschwert durch den Tag, ihr Lieben!…
… Auf der Suche nach einer im Jahr 2014 errichteten Bronzestatue von Amy Winehouse geriet ich nahe der Schleuse an zwei alte Herren. Der eine besserte sich seine Rente als Anreißer für ein nahes Pub auf, der andere lebte auf der Straße nach eigenem Bekunden ziel- und planlos in den Tag hinein. Er gab mir die gewünschte Auskunft, und schenkte mir, nachdem wir uns eine Weile gut und freundlich über Gott und die Welt unterhalten hatten, obendrein noch ein niedliches kleines Plüsch-Zebra, das er aus einer seiner zahlreichen Plastiktüten zog. Weil ich ihn an seine verstorbene Frau erinnern würde, meinte er…
… Wir verabschiedeten uns voneinander, und ich machte mich auf den verschlungenen Weg durch die einstigen Fabrikhallen, Lokschuppen und Pferdeställen, die man zu Läden, Verkaufsständen, Kneipen und Fressbuden aller Art der Camden Stable Markets umgebaut hatte. Mittlerweile war es früher Nachmittag, und die Menschenmassen drängten sich durch die schmalen Gassen. Ich sah sehr Vieles, was ich zu gerne fotografiert hätte, doch manchmal war dies der vielen Leute wegen schlicht unmöglich…
… Da stand sie, so klein und zierlich, dass ich sie beinahe übersehen hätte. – Amy Winehouse ist in Camden Town so gut wie immer und überall präsent, übergroße Portraits zieren Häuserwände, es gibt ihr Konterfei in schier unzählbaren Variationen, und tagtäglich pilgern Heerscharen von Fans zu ihrem Wohnhaus am Camden Square und ihrem Lieblings-Pub unweit Camden Lock…
… Nur wenige Schritte von der Statue entfernt gab es einen Stand, an dem man gar köstliches heißes Röstbrot mit geschmolzenem Käse erwerben konnte. Der aromatische, verführerische Duft erinnerte mich daran, dass ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte…
… Nicht nur ich wartete auf die Vollendung des bestellten Gaumenschmauses, sondern auch ein prachtvoll schillernder Star. Bar jeglicher Scheu saß er so nahe, dass ich ihn leicht mit der Hand hätte greifen können…
… Gut gestärkt machte ich mich durch das überaus pittoreske Viertel langsam auf den Rückweg zur Bushaltestelle…
… Ein Foto für zwei Pfund, quasi als milde Gabe für einen Rausch – ein recht origineller Spendenaufruf. – Ich ging hinter einem Pfeiler der Camden Lock Bridge auf die Lauer und lichtete den illustren Punk unbemerkt ab. Die zwei Pfund hätte ich ihm schon gegeben – nur hatte ich leider kein Bargeld einstecken. Weil man in London wirklich alles mit Karte bezahlen kann, etliche Läden und Restaurants nehmen überhaupt kein Bargeld mehr an, hatte ich bislang überhaupt nicht daran gedacht, einen Bankomaten aufzusuchen…
… Auf dem Weg zum Bus sah ich etwas Farbiges aus einer schmalen Seitengasse hervor blitzen. Das musste ich mir näher ansehen – und das zeige ich euch demnächst… 😉
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… Habt einen schönen und geruhsamen Samstag, habt es fein, seid gut zu euch und zu euren Lieben, und bleibt bzw. werdet gesund!…
… Ich hatte nicht vor, mich lange in Little Venice aufzuhalten. Eigentlich wollte ich an Bord der Gardenia wieder zurück nach Camden Town, doch man erklärte mir bedauernd, dass das Schiff die nächsten zwei Stunden komplett ausgebucht sei. „Gehen Sie doch zu Fuß am Kanal entlang, ist ein schöner Spaziergang, nur knappe vier Kilometer.“, schlug der junge Bootsmann vor. Dann fiel sein Blick auf meinen Rollator und er wurde puterrot im Gesicht – oh, wie war ihm das sichtlich peinlich! Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Ist nicht schlimm. Alles gut.“ Ich hatte selbst schon daran gedacht, nach Camden Town zurück zu wandern, diese Idee aber wieder verworfen, da ich ja mit meinen Kräften haushalten musste…
… Zum Glück lag das Narrowboat eines anderen Fährunternehmen unweit der Gardenia vor Anker, und da hatte man noch einen freien Platz für mich, sogar am Fenster. Der Rollator wurde vom Bootsmann kurzerhand zusammengeklappt und auf das Dach des Leichters befördert…
… Herber Kontrast – oben wohnen die Reichen und Schönen – unter der Brücke hat ein Obdachloser versucht, es sich zumindest ein wenig heimelig einzurichten. Ca. 170.000 Obdachlose gibt es in London, das heißt, jeder Fünfzigste dieser Stadt mit nahezu neun Millionen Einwohner:innen hat kein festes und dauerhaftes Dach über dem Kopf. Im Jahr 2023 hat die englische Hauptstadt ungefähr 50 Millionen Pfund für die Versorgung jener Menschen ohne Heim und für die Schaffung von Notunterkünften ausgegeben…
… Die Macclesfield Bridge – einst Schauplatz einer furchtbaren Tragödie. Am frühen Morgen des 2. Oktobers 1874 war ein Schlepperverband auf dem Weg in die West Midlands. Einer der Leichter, die Tilbury, war mit 5 Tonnen Schießpulver, 3 Fässern Erdöl, Zucker und Nüssen beladen. Aus offiziell ungeklärter Ursache (man munkelte, ein Bootsmann hätte sich gedankenverloren ein Pfeifchen angezündet) kam es direkt unter der Brücke zu einer gewaltigen Explosion. Die gesamte Besatzung kam dabei ums Leben, die Brücke wurde zerstört, Dächer im Umkreis von etlichen zig Metern abgedeckt, Bäume entwurzelt, und ein Augenzeuge berichtete, es habe sogar Fische geregnet. Der Kiel des Schleppers, der sich an der Spitze der Leichter befunden hatte, war etwa 300 Meter von der Unfallstelle entfernt in ein Haus eingeschlagen. Zwei Jahre später wurde die Macclesfield Bridge wieder aufgebaut, wobei man die nahezu unbeschädigten gußeisernen Säulen erneut verwendete…
… Die Pheng Shang Prinzess ist ein schwimmendes China Restaurant, und ein wohl sehr gutes noch dazu, ohne Reservierung soll man abends keine Chance auf einen Sitzplatz haben…
… Viel zu schnell kam Camden Lock wieder in Sicht, ich hätte ohne Weiteres den ganzen Tag auf dem Kanal verbringen können. Doch ich wollte mich noch eine Weile auf dem riesigen Markt an der Schleuse herumtreiben, und an der Camden High Street gab es ein, zwei Häuser, die ich noch nicht fotografiert hatte… 😉
… Oh ja, dieses kleine, grauschwarze Narrowboat, ich glaube, das würde mir als schwimmende Unterkunft reichen. Und dann würde ich eine Weile durch die Kanäle Londons, vielleicht sogar Englands ziehen, die Kamera immer im Anschlag. – Wie schön, dass es Träume gibt, und dass man niemals zu alt dafür ist… 😉
… Habt einen möglichst unbeschwerten Tag, und kommt gut ins Wochenende, ihr Lieben!…
… Er ragt direkt neben der Bootsanlegestelle Greenwich in den Himmel – ca. 85 Meter lang, knappe 11 Meter breit, und beinahe 47 Meter hoch – der letzte noch existierende Teeklipper der Welt. Und seine schnittige Shilouette ist auf der Themse schon von weitem zu sehen…
… Erbaut wurde dieser edle und elegante Windjammer in Schottland, 1869 lief er vom Stapel. Das Design war voll und ganz darauf angelegt, die höchst mögliche Geschwindigkeit von gut 17 Knoten zu erzielen – ein langer, schmaler Rumpf, der messerscharfe Bug, die Masten gigantisch, wie auch die einstige Segelfläche. Alljährlich lieferten sich im Frühjahr die Teeklipper auf der Fahrt von China nach London die erbittertsten Wettrennen. Dem Sieger winkte nicht nur die größte Anerkennung, der Tee, den er geladen hatte, erzielte auch die besten Preise. Denn in der viktorianischen Gesellschaft galt es als höchst schick, den frischesten Tee zu trinken…
… So hat die Cutty Sark einst ausgesehen, als sie die Ozeane durchpflügte:…
(picture alliance / Design Pics / Hilary Jane Morgan)
… John Willis, der erste Eigentümer des stolzen Schiffes, ließ sich bei der Namensgebung von einer Ballade des schottischen Nationaldichters Robert Burns inspirieren: Ein Mann namens Tam O’Shanter geriet eines Nachts nicht mehr ganz nüchtern in einen Hexenzirkel. Die schöne Hexe Nannie, gekleidet in ein gewagt kurzes Hemdchen – altschottisch Cutty Sark – jagte ihm wütend nach. Es gelang ihm, mit Müh und Not zu entkommen, Nannie konnte lediglich seinem Pferd den Schweif ausreißen (das arme Ross!)…
… Die Cutty Sark hatte nie eines der großen Wettrennen der Teeklipper für sich entscheiden können. Als nach der Eröffnung des Suez-Kanals im Jahr 1869 nach und nach Dampfschiffe die Teetransporte übernahmen, und die Zeit der riesigen Windjammer sich dem Ende neigte, wurde sie umgerüstet und für Wolltransporte rund um Kap Hoorn eingesetzt. Als Kapitän Richard Woodget (geb. 21.11.1845 als Sohn eines südenglischen Bauern, gest. 06.03.1928) das Kommando inne hatte, war sie das schnellste Segelschiff ihrer Größe, stellte etliche Rekorde auf und schlug 1885 in einem spannenden Wettstreit ihre alte Rivalin Thermopylae. Nach ihrer gut zehnjährigen Glanzzeit unter Woodget wurde sie an eine portugiesische Reederei verkauft und verfiel zusehends…
… Ein pensionierter Seemann erkannte 1922 die von ihm bereits als Schiffsjunge hoch geschätzte Cutty Sark, als sie nach einem Sturm ramponiert und in Ferreira umbenannt in den Hafen von Falmouth einlief. Er kaufte sie für 3.750 Pfund und ließ sie mit Unterstützung seiner Gemahlin wieder in den Originalzustand versetzen. Der einstige berühmte Teeklipper diente danach bis 1938 als Ausbildungsschiff. 1957 wurde er auf seiner endgültig letzten Reise nach Greenwich ins Trockendock überführt und ist seither ein Museumsschiff…
… 1980 habe ich während meiner allerersten London-Reise die Cutty Sark besucht und war von ihrer Größe und Eleganz und magischen Ausstrahlung schier verzaubert. Damals befand sich im Inneren noch eine sehenswerte Ausstellung von Gallionsfiguren…
… Im Jahr 2006 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Am 21. Mai 2007 kam es zu einem Brand, vermutlich durch einen defekten Staubsauger ausgelöst. Der Schiffsrumpf wurde großenteils ein Raub der Flammen. Zum Glück war das meiste der Ausrüstung – Masten, Steuerrad, Verzierungen, das kostbare Teakholz für die Verkleidungen – ausgelagert worden. Die Cutty Sark konnte wieder völlig rekonstruiert werden. 2012 wurde das neue Schiffsmuseum durch Queen Elisabeth und Prinz Philip eröffnet. 2014 brach ein weiterer Brand an Deck aus, der aber dem Universum sei Dank keine größeren Schäden verursachte…
… Auf diesen Besuch der Cutty Sark in Greenwich vierundvierzig Jahre nach meiner ersten Besichtigung hatte ich mich so sehr gefreut. Leider musste ich auf einen Rundgang an Deck verzichten. Große Teile des Cutty-Sark-Museums sind zwar behindertengerecht gestaltet, aber mich an Bord des Schiffes zu bewegen, unterließ ich dann doch wohlweislich. Vielleicht hole ich das bei meiner nächsten Visite nach… 😉
… Auch an einem noch so penibel behüteten Schiff gibt es immer etwas zu reparieren…
… Nicht nur am Schiffsrumpf, sondern auch an der Takelage muss nachgebessert werden. Die Jungs, die da in schwindelerregender Höhen zugange waren, habe ich sehr bewundert. Und auch ein bisschen beneidet…
… Auch ein oller Seebär schaut den Jungs bei ihrem Tanz in den Takelagen zu…
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