Ein Drabble – Kurz-Kurz-Kurzgeschichte mit genau 100 Worten:
… Sweatshirt, Freizeithose, Socken und sportlich aussehenden Schuhe dieses Menschen wurden von farbigen Billiglohn-Arbeiterinnen in Afrika, Pakistan, Indien und Bangladesh zusammengenäht und-geklebt. Den Schreibtisch aus asiatischem Billigholz hat er in einem schwedischen Möbelhaus erstanden. Er fährt den in einem taiwanesischen Unternehmen gefertigten PC hoch. Nachdem er sich mit der Familie ausgetauscht hat, ob sie am Abend Döner, Pizza, Thai Curry oder doch lieber Burger von McDoof essen wollen, geht er daran, mithilfe des im kalifornischen Silicon Valley auch von queeren, schwerbehinderten, farbigen und weiblichen Fachkräften entwickelten Betriebssystems seine dümmlichen, homophoben, rassistisch und frauenfeindlich angehauchten Kommentare in die Tasten zu hauen…
… Unmittelbar nachdem der Disney Konzern den Trailer zur Realverfilmung des Zeichentrick-Klassikers “Arielle, die Meerjungfrau” aus dem Jahr 1989 präsentiert hatte, ging ein gewaltiger Shitstorm los. Ein Grund der Entrüstung war, dass Disney dieses filmische Remake auf gar keinem Fall hätte produzieren sollen, das sei alles nur Geldmacherei und Pfusch, und man würde der Original-Geschichte dadurch den Zauber nehmen…
… Hauptursache der Entrüstung quer durch sämtliche (a)sozialen Netzwerke war allerdings, dass Disney es tatsächlich gewagt hat, die weibliche Hauptrolle mit einer Person of Color zu besetzen. Eine schwarze Arielle! Um Himmels Willen! Was für ein Affront! Ein Sakrileg sondergleichen! Arielle hat gefälligst weiß und rothaarig zu sein, so wie im Original! – In diesem, dem Märchen “Die kleine Meerjungfrau” von Hans Christian Andersen, welches in groben Zügen Pate für das Drehbuch stand, hat das zauberhafte Wesen allerdings grüne Haare. Und ihre Hautfarbe – bleiche Glieder – wird nur am Schluss ganz kurz erwähnt…
… Beim Lesen der Kommentare kam mir ein etwas grober bayrischer Spruch in den Sinn – hier sitze ich und kann nicht anders: “Auweh, da ganze Mensch a Depp.” Denn da ist unter ungezählten rassistischen Anfeindungen die Rede davon, dass eine dunkelhäutige Arielle Kinderträume zerstören würde. Ich solle nur mal ein paar Kids fragen, die würden mir alle sagen, dass Arielle weiß und rothaarig sein muss. Das bezweifle ich sehr. Kinder sind in ihren Ansichten häufig flexibler, toleranter und unvoreingenommener als Erwachsene. Und Kinder mit Migrationshintergrund haben bestimmt ganz andere Vorstellungen davon, wie eine Nixe auszusehen hat als der “biodeutsche” Nachwuchs. Zudem rangiert der Disney-Klassiker von der Meerjungfrau in den Listen der beliebtesten Kinderfilme lediglich im Mittelfeld, dürfte mithin etlichen Kids gar nicht bekannt sein…
… Eine dunkelhäutige Arielle mit Rastafrisur würde also Kinderträume vernichten. Was für ein Bullshit! Die Gefahr für Schäden an Kinderträumen und -seelen sehe ich weitaus eher bei jenen ungeschnittenen und unverpixelten Videoclips von Hinrichtungen, Folterungen und Kastrationen, die mittlerweile in etlichen Schulen Deutschlands im Umlauf sind, als bei einem völlig harmlosen Märchenfilm!…
… Noch so ein Klopfer: Die Zukunft Hollywoods sei aufgrund der neuen und nach Meinung eines Kommentators übertriebenen Regelungen bezüglich Diversität quasi in Gefahr. Und wenn die Hälfte aller cineastischen Auszeichnungen an Filmschaffende gehen würden, die einer Minderheit angehören, dann wäre das der Diversität eher hinderlich. Was für eine gequirlte Sch***e! – Ich kann den Herrn, der sich dergestalt geäußert hat, beruhigen: Laut dem kürzlich erstellten Hollywood Diversity Report der UCLA – University of California Los Angeles – besteht kein übermäßig großer Trend der amerikanischen Filmindustrie zu mehr Diversität, im Gegenteil. Im Jahr 2022 wurde nur jede fünfte Rolle mit Personen besetzt, die einer Minderheit angehören…
… Als körperlich Schwerbehinderte und Asperger Autistin bin ich übrigens ein Teil der diversen Minderheit. Und kann über eine weitere Aussage des Kommentators, die in etwa so lautet, dass die Akzeptanz der Diversität – und damit auch die Inklusion Behinderter – zu schnell voran schreiten würde, nur fassungslos den Kopf schütteln. Kein Wunder, dass intelligente Außerirdische seit vielen Jahren schon einen riesigen Bogen um unser Sonnensystem schlagen!…
… Mir tun diese rassistischen und engstirnigen Schmierfinken, die sich die Mäuler über eine dunkelhäutige, aparte, junge Schauspielerin zerreissen, und wertvolle Kraft und Energien darauf verschwenden, sich am Thema Diversität negativ abzuarbeiten, unendlich leid. – Disney hat übrigens bereits mehrmals betont, dass lediglich die überragende Gesangsstimme von Halle Bailey den Ausschlag dafür gegeben hat, sie für die Rolle der Meerjungfrau zu engagieren…
…Ich werde mir die Neuverfilmung von Arielle ansehen. Weil laut etlichen ernst zu nehmenden Kritiker:Innen der Film rundum gut gelungen sei – bezaubernd, herzerwärmend, hervorragend in Szene gesetzt, und mit all den schönen und sorgfältig neu arrangierten, bekannten Songs…
… Ich habe das hier schon mehrmals geschrieben – und wiederhole es gerne: Diversität tut niemandem weh und nimmt niemandem von uns etwas weg. Aber sie bereichert und macht unsere Welt herrlich bunt, lebensvoll, kreativ, sozial, interessant, schön, vielfältig. Sie ist seit Anbeginn der Welt unter uns, und wir haben viel zu lange unsere Augen und Herzen davor verschlossen. – Ich wünsche all den diversitätsfeindlichen, unüberlegt keifenden und geifernden Kurzhirnschwurblern, die sich am Shitstorm gegen die Realverfilmung von “Arielle, die Meerjungfrau” beteiligt haben, drei Tage allerheftigsten Dünnpfiff und kein Blatt Toilettenpapier im Haus…
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