… wird so sehr um Spenden gebettelt wie im angeblich so stillen und besinnlichen Advent. Da öffnen Frau und Herr Biedermann ja auch so sehr gerne die Geldbeutel. Mit der christlichen Gesinnung ist’s dabei in sehr vielen Fällen oft nicht weit her, und die Großzügigkeit weitaus mehr Schein als Sein. Ich habe schon häufig beobachtet, wie am heimatlichen Bankschalter mit höchst feierlicher Miene der Obolus an ein wohltätiges Institut eingereicht, und nur wenige Augenblicke später mit wartenden Nachbarn/innen gar furchtbar lästernd über Andere hergezogen wurde. Aber man gibt sich halt so gerne nächstenliebend und ach, gar heiligmässig…
… Beobachte ich solch kleinbürgerliche Szenen wie die grade geschilderte, oder aber auch, wie liebe Mitmenschen nicht müde werden, sich ihrer angeblich so wohltätigen und sozialen Gesinnung zu brüsten, obwohl im christlichen Heiligen Buch, der Bibel, geschrieben steht, dass man, wenn man gibt, die linke Hand nicht wissen lassen sollte, was die rechte tut, dann kommt mir zumeist das folgende Gedicht in den Sinn:
Das goldene Herz der Bourgoisie
Sie sind nicht so schlimm wie sie aussehn,
Sie haben ein weiches Gemüt.
Sie können den Tod keiner Laus sehn
Und sind um die Wohlfahrt bemüht.
Und wenn ein Proletenpaar draufgeht,
Den Gashahn nicht zu, sondern aufdreht,
Dann seufzen sie stark
Und spenden ’ne Mark
Für die kleine verwaiste Marie –
Ja, das ist das goldene Herz der Bourgeoisie.
Das Geld ist an sich nicht sympathisch,
Sie beuten so ungerne aus.
Sie fühlen durchaus demokratisch
Und reden von Freiheit zu Haus.
Und fällt ihnen wirklich die Not auf,
Dann legen sie gern etwas rot auf
Und schreien: Reform!
Die Not ist ernorm
Und die Börse so lustlos wie nie –
Ja, das ist das goldene Herz.
Das schwarzrotgoldene Fettherz der Bourgeoisie.
Wie leicht ist man menschlich erschüttert.
Man hat seinen Goethe im Schrank.
Doch wenn man den Kriegsprofit wittert,
Dann sieht man, wie schön ist ein Tank.
Wie nett sehn die kleinen Schrappnells aus!
Die Flamm’werfer und Parabells aus!
Was Mumm hat, ja das
Verdient auch am Gas –
Ganz egal, wer krepiert wie das Vieh!
Ja, das ist das goldene Herz.
Das goldengepanzerte Fettherz der Bourgeoisie.
Proleten, ihr habt sie genossen,
So edel, so gut und human.
Wird wirklich auf euch mal geschossen,
Sie habens nicht selber getan.
Die Kerle, die morden und raufen,
Die kann man ja kaufen zu Haufen –
Das ist ihr Geschäft.
Doch wenn ihr sie trefft,
Die gedungene Mordkompanie –
Dann trefft ihr das goldene Herz,
Das goldstückgepflasterte Fettherz der Bourgeoisie.
(David Weber, 1931)