… Im ziemlich umfangreichen TV-Angebot des magentaroten Riesen, das ich abonniert habe, befindet sich auch Sport1. Was mich als Darts-Begeisterte seit etlichen Jahren schon an diesem Sender nervt, sind die mehr als ausgedehnten Werbepausen bei den großen Turnieren, manchmal stehen die Kontrahenten bereits seit einer Weile schon wieder auf der Bühne, da laufen bei Sport1 immer noch Werbespots. Ein FB-Bekannter legte mir nahe, zu DAZN zu wechseln, da gäbe es so etwas nicht, und die Moderatoren seien auch viel besser. So beschloss ich, das mal auszuprobieren, und wählte vorsichtshalber ein Abonnement mit monatlicher Kündigung…
… Bei SkySports kommentieren ehemalige Weltmeister wie Wayne Mardle und John Part. Das sind natürlich Fachleute allerersten Ranges. Dagegen kann man hier in Deutschland nicht anstinken. Darts-Moderator bei DAZN ist Herr P., der sich bis 2019 lange Jahre seine Brötchen bei Sport1 verdient hat. Ihm zur Seite steht immer ein „Experte“. Das ist in der Regel einer aus der zahlreichen Riege deutscher Darts-Spieler, die in der Liste der PDC-Top-Athleten fast ausnahmslos unter „ferner liefen“ rangieren, gelegentlich mal bei den großen internationalen Turnieren auftreten dürfen, aber stets spätestens nach der zweiten Runde ausscheiden. Was diese „Experten“ weitaus besser können als das Hantieren mit den drei kleinen Pfeilen, ist das Kritisieren der Weltklasse-Athleten, und schier unerträgliches Klugsch***en – so mein Eindruck seit langem. Wenn diese Co-Kommentatoren ihre eigenen ungezählten Ratschläge befolgen würden, die sie im Laufe auch nur einer Live-Übertragung von sich geben, dann würden sie ohne Zweifel in der PDC-Rangliste ganz vorne stehen…
… Nicht nur das stieß mir in den vergangenen drei Wochen der Darts-WM mächtig sauer auf. Ich hatte auch immer öfter den Eindruck, dass Herr P. und sein jeweiliger „Experte“ nicht wirklich am Verlauf der einzelnen Partien interessiert waren, sondern sich viel lieber selber reden hörten. Während im Halbfinal-Spiel der beiden Schotten Gary Anderson und Peter Wright – eines der besten Matches in der Geschichte des professionellen Darts-Sports! – die Hundertachtziger* (Erklärung siehe unten) nur so auf das Board prasselten, ein High Finish ** das nächste jagte, Break*** an Break sich reihten, und das Publikum im Westsaal des Alexandra Palace in London schier ausrastete vor Begeisterung, unterhielten sich Herr P. und „Experte“ Herr H. angelegentlich über Farbenpsychologie, Aberglauben und – man mag es kaum glauben! – die Boxer Shorts von Peter Wright!…
… Peter Wright war überhaupt der größte Aufreger von Herrn P. und seiner „Experten“ in der Zeit vom 15. Dez. bis einschließlich 03. Januar. Denn der exzentrische Schotte mit der bunt gefärbten Punker-Frisur und den farbenprächtigen Klamotten pflegt gerne während seiner Partien die Darts zu wechseln – was völlig regelkonform ist. Tagtäglich wurde höchst ausführlich die Frage erörtert, warum Mr. Wright das denn nun machen würde. Herr P. entblödete sich einmal sogar zu der Vermutung, es könne vielleicht damit zusammenhängen, dass Snakebite ohne Vater aufgewachsen sei, und vielleicht ein Kindheitstrauma hätte. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Peter Wright macht das, weil er’s kann. Und weil es ihm gut tut. Punkt…
… Sehr gerne wurden während der einzelnen Wettkämpfe von Herrn P. und seinem „Experten“ Zuschauerfragen in epischer Länge beantwortet, egal, was sich da grade am Oche (dem Bereich vor dem Darts-Board) tat – so was sollte man meiner Meinung nach in die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen legen! Das wechselte mit mehr oder weniger spaßigen Erfahrungsberichten des jeweiligen „Experten“ ab, sowie Mutmaßungen darüber, was die jeweiligen Spieler grade denken und fühlen würden. Eine der am häufigsten vor allem während der entscheidenden Phasen eines Matches vom Moderator Herr P. an den jeweiligen „Experten“ gestellte Frage: „Was denkt er sich jetzt grade, der Bully Boy/Snakebite/van Barneveld/van Gerwen/Gerwin Price? Was geht ihm grade durch den Kopf? Welche Emotionen bewegen ihn?“ Wonach sich der „Experte“ immer eifrig bemüßigt fühlte, seine eigenen Gedanken während seiner an den Fingern einer Hand abzählbaren Auftritte in der ersten Vorrunde der WM im Alexandra Palace zu schildern…
… Um für mich das Maß voll zu machen, gab es bei DAZN allabendlich Bild- und Tonausfälle, bevorzugt dann, wenn es so richtig spannend wurde. Nach dem letzten längeren Blackout während einer besonders fesselnden und entscheidenden Phase des Endspiels kündigte ich DAZN und kehrte reumütig zu Sport1 zurück. Die Moderation dort war eine Wohltat – trocken, sachlich, fachkundig, auf das Wesentliche beschränkt. Mit einem Male erschienen mir die manchmal schamlos überzogenen Werbepausen als das viel geringere Übel…
… Gewonnen hat die PDC-Weltmeisterschaft übrigens Snakebite Peter Wright gegen Bully Boy Michael Smith mit 7 : 5 Sätzen. Smith brach danach vor lauter Enttäuschung in Tränen aus. Er hat mir so leid getan, dass ich mich über den wohl verdienten Sieg Snakebites gar nicht so richtig freuen konnte. Auch Peter Wright bekam feuchte Augen angesichts des völligen Zusammenbruchs seines Gegners. Er legte ihm den Arm um die Schultern und versuchte, ihm Mut zuzusprechen: „Nächstes Jahr, da schaffst du’s bestimmt!“…
Erklärung:
- * Hundertachziger = alle drei Pfeile landen im Dreifach-Zwanziger-Segment, das bedeutet die höchst mögliche Punktzahl
- ** High Finish = das auf Null stellen – Auschecken – einer hohen Punktzahl – 100 bis 170 – mit einem abschließenden Treffer auf ein Doppelsegment der Darts-Scheibe
- *** Break = man nimmt dem Gegner durch ein besseres Spiel sein Leg – Anwurf-Segment – ab