… In turbulenten Tagen hilft es mir stets, ein gutes Buch zur Hand zu haben. Nachdem die Autobiographie des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama, auch vom ARD-„Literaturpapst“ Denis Scheck lobend besprochen worden war – obwohl der Moderator der Sendung „Druckfrisch“ sich ansonsten überhaupt nicht für Politiker-Biographien erwärmen kann – orderte ich neulich voller Vorfreude den gut 900 Seiten dicken Wälzer…
… Und wurde bislang in keinster Weise enttäuscht. Nach einer durchgelesenen Nacht kann ich Obamas „Das verheißene Land“ guten Gewissens empfehlen. Der Ex-US-Präsident, der seit langem schon bei mir einen ziemlich dicken Stein im Brett hat, kann definitiv schreiben – und wie! Sein Stil ist locker, charmant, humorvoll, intelligent, menschlich anrührend, warmherzig, abegklärt und dennoch stellenweise voller Leidenschaft. Was gänzlich fehlt sind Selbstbeweihräucherungen, Barack Obama geht in der Schilderung seines Lebens, des politischen und menschlichen Werdegangs und der Amtszeit im Weißen Haus durchaus selbstkritisch vor. Er verbirgt seine menschlichen und politischen Schwächen nicht, sondern legt sie offen dar, und zeigt manchmal gar Scham und Reue über einige Entscheidungen im familiären und beruflichen Bereich…
… „Ein verheißenes Land“ bietet tiefe, spannende, bisweilen sehr erschreckende Einblicke in die Gepflogenheiten der US-Politik, vom Senat eines Bundesstaates im Mittelwesten angefangen über den US-Kongress bis hin zum höchsten Amt der Vereinigten Staaten. Es ist eine mitreißende Schilderung wundervoller Triumphe und bittersten Scheiterns. Und es ist ein Buch mit einem enorm hohen Suchtpotenzial – immer wieder wurde ich in der vergangenen Nacht dazu verführt, weiterzulesen – „nur noch mehr diesen einen Absatz, und dann geh‘ ich aber wirklich schlafen!“ – bis ich im Morgengrauen völlig erschöpft dieses Werk aus der Hand legen musste…
… Barack Obamas Autobiographie möchte ich nicht nur Mitmenschen empfehlen, die sich wie meine Wenigkeit für Uncle Sams Politik interessieren, sondern auch all jenen, die sich gerne in ungewöhnliche menschliche Schicksale hineinversetzen…
… Ich wünsche Allen, die meinem Lesetipp folgen, viel Freude beim Schmökern. Und beim Vorfreuen, denn das Buch „Ein verheißenes Land“ ist als Zweiteiler konzipiert. Ich hoffe, Mr. Obama lässt uns Leseratten nicht allzu lange auf die Fortsetzung warten… 😉
… die möchte man am liebsten gar nicht mehr aus der Hand legen. Nach dem Lesen der letzten der insgesamt 362 Seiten von „Anleitung zur Schwerelosigkeit – was wir im All fürs Leben lernen können“, verfasst von dem kanadischen Astronaut Chris Hadfield, hätte ich am liebsten wieder von vorne begonnen – wenn da nicht ein ziemlich großer Stapel noch ungelesener Bücher wäre… 😉
… Hadfield schildert sehr ausführlich seinen Werdegang, vom neunjährigen Buben, eines von fünf Kindern kanadischer Maisfarmer, der angesichts der ersten Mondlandung am 20. Juli 1969 begann, auf seinen Lebenstraum hinzuarbeiten – er wollte unbedingt Astronaut werden – bis zum Höhepunkt seiner Karriere als Kommandant der International Space Station 2012/2013. Der Weg dahin ist ein überaus harter und entbehrungsreicher gewesen, er wies mindestens ebenso viele Abstiege wie Höhenflüge auf. Ausbildung und Auswahlverfahren trieben – und das ist immer noch der Fall – zukünftige Sternenreisende häufig an ihre körperlichen, geistigen und seelischen Grenzen – und darüber hinaus…
… Und wer sich einmal für einige Tage im Weltall aufhalten, den Höllenritt an Bord eines Spaceshuttles bzw. einer Sojus-Rakete genießen durfte, ist noch lange kein Astronaut, so der Autor. Ein solcher wird man erst dann, wenn man bis ins Tiefste seiner Seele und seines Charakters gelernt hat, neben einem ganz starken Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und Stärken auch demütig, bescheiden, ernsthaft, leise und rücksichtsvoll zu sein, und sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Es gibt laut Hadfield Astronauten (Menschen) der Klassifizierung Plus eins, Null und Minus eins. Eine Plus eins, jemand, der seinen Mitmenschen in der Tat in jeglicher Hinsicht als Vorbild dienen kann, wird man nur dann, wenn man sich beständig darum bemüht, eine Null zu sein: Sich nicht in den Vordergrund drängen, aber stets zuverlässig da sein, unauffällig helfen und stützen, still zu sein, aber dann höchst kompetent den Mund aufzumachen, wenn es die Lage gebietet, sich immerdar zu bemühen, innere Ruhe, Fairness, Verständnis und Höflichkeit zu pflegen. Und sich für keine Arbeit zu schade zu sein. Selbst der „niederste“ und „dreckigste“ Job kann eine erfüllende Aufgabe sein, wenn man es versteht, ihn mit Würde und Liebe zu versehen, so Hadfield. Wer sich sehr gerne als Plus eins aufspielt, Arroganz an den Tag legt und den Mund voll nimmt, wird in der Regel bereits während der ersten Aufnahmeverfahren aussortiert. Was allerdings nicht verhindert, dass es dennoch Weltraumfahrer/innen gibt, die vor Hochmut so sehr strotzen, dass sie es sogar unter ihrer Würde erachten, in einem Aufzug den Etagenknopf selbst zu drücken…
… Der letzte Teil des Buches handelt großenteils von Chris Hadfields ca. fünfmonatigen Aufenthalt auf der ISS. Er beschreibt den „Alltag“ auf dieser riesigen Raumstation – sie ist inzwischen größer als ein Fußballfeld, und von der Erde aus auch bei Tageslicht mit bloßem Auge zu erkennen. Und die körperlichen Veränderungen eines Menschen im dauernden Zustand der Schwerelosigkeit, die mühsame Gewöhnung daran, dass es kein Oben und Unten mehr gibt. Das herrliche Gefühl, wenn sich der Gleichgewichtssinn an die neuen Umstände gewöhnt hat, und man elegant und leicht wie eine Feder durch die einzelnen Module gleiten, segeln, sausen kann. Aber auch die Nebenwirkungen wie z. B. ein Dauerschnupfen, da die Sekrete der Nebenhöhlen ja nicht wie sonst ungehindert abfließen, und dass sich das Herz verkleinert, die Knochendichte sowie Muskeln und Sehnen abnehmen, und die Wirbelsäule sich um einige Zentimeter verlängert. Der kanadische Astronaut erzählt vom atemberaubenden Blick aus der sogenannten Capsula mit dem größten, je im Weltraum installierten Fenster auf die schier unbeschreibliche Schönheit des Weltalls und unseres Heimatplaneten, von gefährlichen und spannenden Außeneinsätzen – aber auch von nervtötenden Experimenten und Selbstversuchen, und den alltäglichen „Hausmeisterarbeiten“ – die widerspenstige Toilette reparieren, oder überaus glitschige und unberechenbare Marmelade von den Wänden putzen, Versorgungscontainer entladen und mit dem angesammelten Müll befüllen, etc…
… Der Weg zurück an Bord einer russischen Sojus-Kapsel dauert nur eine Stunde, ist aber ein wahrer Höllenritt. Und danach beginnt die langsame Rehabilitation der Astronauten. Es kann bis zu einem halben Jahr dauern, bis sich der Körper wieder an die Schwerkraft gewöhnt hat. Chris Hadfield ist nach seiner Rückkehr von der ISS aus dem aktiven Dienst als Astronaut ausgeschieden. Er hält nun Vorlesungen an Universitäten, gibt als Musiker Konzerte – die Aufnahme seiner Version von David Bowies Klassiker „Major Tom“ an Bord der International Space Station ist legendär und wurde mehr als zwei Millionen mal auf YouTube angeklickt – und schreibt an einem zweiten Buch, einem Fotoband mit Aufnahmen aus dem Weltall. Ich freue mich schon sehr darauf…
… „Anleitung zur Schwerelosigkeit…“ ist nicht nur für Weltraumfans höchst empfehlenswert. Es ist zugleich auch ein spannendes, und erfreulich unaufdringliches Lehrstück in punkto Menschlichkeit. Ich habe viel Gutes aus diesem Buch gewonnen, und ich werde mir Mühe geben, dies in meinem erdgebundenen Leben umzusetzen…
Chris Hadfield: „Anleitung zur Schwerelosigkeit“, Heyne Verlag 2014, ISBN: 978-3-453-20068-5
… Und hier der berühmte Auftritt des kanadischen Astronauten als Musiker und Sänger in den unendlichen Weiten des Weltalls:…
… Sie sind bieder und ordinär, raffiniert, einsilbig, verschlossen, phantasievoll, eigensinnig, gerissen, offen, skurril, unheimlich, mit allen Wassern gewaschen, klug, einfältig. Sie denken um Ecken, sind verträumt, verschlagen, sensibel, skrupellos, mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Sie begehren auf, sind duldsam, weich, sensibel, charakterstark, passen sich an, brechen aus, stellen die Welt gehörig auf den Kopf… Wahre Weibsbilder eben…
… Und von solchen Weibsbildern handelt die gleichnamige Anthologie von Karin Braun und Gabriele Haefs, die seit vielen Jahren bereits als eine sehr namhafte Übersetzerin (u. a. von „Sophie’s Welt“ von Jostein Gaarder) tätig ist. „Weibsbilder“ ist erschienen im kleinen aber feinen Verlag „Edition Narrenflug“, und ich kann diese Sammlung von Geschichten und Erzählungen wärmstens empfehlen. Es ist ein Buch, welches man nur ungern wieder aus der Hand legt, wenn man erst einmal mit der Lektüre begonnen hat, nach jeder Episode hat man das Bedürfnis, dem ewigen Rätsel Frau, bzw. dem Weibsbild, noch mehr auf die Spur zu kommen – und erhält doch immer nur einen kurzen Blick auf eine winzig kleine Facette eines unablässig sich verändernden und geheimnisvollen Kaleidoskops…
… beschert der zweite Roman des schwedischen Autors Jonas Jonasson („Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“): „Die Analphabetin, die rechnen konnte“…
… Schon in sehr jungen Jahren wird die Schwarzafrikanerin Nombeko die Chefin der Latrinentonnenträger/innen in Soweto. Sie „beerbt“ einen lüsternen Greis, wird von einem stets volltrunkenen Ingeneur über den Haufen gefahren und landet für eine geraume Weile hinter den Absperrungen einer Anlage, in welcher das südafrikanische Apartheid-Regime Atombomben entwickeln lässt…
… Endlich, nach langer Zeit, kann sie sich nach Schweden absetzen. Statt des Pakets mit zehn Kilo gedörrtem Antilopenfleisch, das Nombeko so gerne kaut, weil sie dabei besser nachdenken kann, und das sie sich aus Südafrika hat nachschicken lassen, gerät sie jedoch unverrichteter Dinge an eine 800 kg schwere Atombombe…
… In dem Bestreben, die überaus gefährliche Waffe so schnell als möglich wieder los zu werden, beginnt sie ihre höchst abenteuerliche Irrfahrt durch Schweden. Dabei begegnet sie unter anderem zwei Mossad-Agenten, die ihr in der Vergangenheit bereits erhebliche Probleme bereiteten, drei chinesischen Frauen, die sich hervorragend auf das Fälschen chinesischer Antiquitäten und Echtheitszertifikaten verstehen, einem überaus geizigen Ehepaar, einem schwer traumatisierten Vietnam-Veteranen, den Zwillingen Holger 1 und Holger 2 (der eigentlich überhaupt nicht existiert), der stets ungemein zornigen Celestine, sowie einer halbseidenen, Kartoffeln klaubenden Gräfin…
… Im Finale gesellen sich eher unfreiwillig noch der schwedische Ministerpräsident, Seine Majestät König Carl Gustav, sowie Hu Jintao, Präsident der Volksrepublik China, hinzu – und da wird dann von J. Jonasson ein solches Feuerwerk an skurrilen Gags und unerwarteten Wendungen in die Handlung geflochten, dass ich beim Lesen mehrmals einhalten musste, um mir die Lachtränen aus dem Gesicht zu wischen…
… Obwohl das Buch in der Mitte einige Längen aufweist, kann ich es als Lektüre wärmstens empfehlen. Es ist voll des schlitzohrigen und bisweilen auch hintergründigen Witzes, bei dem mir allerdings auch so einige Male das Lachen im Halse stecken blieb…