… können durchaus von enormem Vorteil sein. Besonders dann, wenn man als Politiker feststellen muss, dass eifrige Journalisten einer angesehenen deutschen Tageszeitung nur sechs Wochen vor der bayerischen Landtagswahl eine ganz üble Leiche aus dem Keller zutage gefördert haben…
… Die Rede ist von Bayerns Ober-BierzeltSchreihals Hubert Aiwanger, derzeit Minister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, sowie Vorsitzender der Freien Wähler Bayern und stellvertretender Ministerpräsident. Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung ging am Freitag Abend binnen kurzem wie ein Lauffeuer durch sämtliche Medien: Hubsi “Oiwonger” habe in seiner Jugend eine zutiefst antisemitische Flugschrift verfasst. Kopien des Pamphlets würden der SZ vorliegen…
… Das von Hass und Hetze nur so triefende Schreiben hat den angeblichen Bundeswettbewerb “Wer ist der größte Vaterlandsverräter?” zum Thema. Als erster Preis wird “ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz” genannt, als zweiter Preis “ein lebenslanger Aufenthalt im Massengrab”, als vierter “einjähriger Aufenthalt im KZ Dachau”. Es war vermutlich als “Parodie” auf einen Geschichtswettbewerb gedacht, an dem das Gymnasium im niederbayerischen Landkreis Straubing teilgenommen hatte…
… Zuerst hieß es, man habe eine bzw. mehrere Kopien des Hetzschreibens auf der Schultoilette gefunden, dann war die Rede davon, dass Exemplare davon sich in der Schultasche des Ober-BierzeltSchreihalses befunden hätten. Bundesweit war das Entsetzen groß. Ministerpräsident Söder nannte das Pamphlet “menschenverachtend und geradezu eklig”. Der Hubsi zog sich, nachdem er der Presse mit rechtlichen Schritten gedroht hatte, von der Öffentlichkeit zurück und ließ nach reichlich Schweigen und einer Absage seines Auftritts bei der Eröffnung des Plärrers, Augsburgs großes Volksfest, am Samstag Nachmittag einen Kommentar über das Geschmiere verlauten, der Wort für Wort dem Söders gleicht – “menschenverachtend und geradezu eklig” -, und er habe den Handzettel nicht verfasst. Er wisse, wer der Urheber sei, dieser werde sich beizeiten zu Worte melden…
… Am Samstag Abend überraschte Aiwangers älterer Bruder Helmut dann mit der Erklärung: “Ich bin der Verfasser dieses in der Presse wiedergegebenen Flugblatts.” Und: “Ich bedaure die Folgen dieser Aktion.” Zudem distanziere er sich nun in jeglicher Hinsicht vom Inhalt des Schreibens. Dieses sei quasi ein Dummer-Jungen-Streich gewesen, weil er eine Jahrgangsstufe habe wiederholen müssen und total wütend gewesen sei. – Was für ein Segen, wenn man das Geständnis seines Bruder in solch einer unheilvollen und verfänglichen Situation quasi aus dem Hut zaubern kann…
… Für mich klingt die Erklärung Helmut Aiwangers aus mehreren Gründen nicht wirklich glaubhaft. Zum einen, weil Bayerns Ober-BierzeltSchreihals bereits mehrmals durch höchst fragwürdige populistische und polarisierende Äußerungen aufgefallen ist. Im Juni hatte er dafür sogar lauten Beifall von AfDlern sowie von “Querdenker:Innen” während einer Demonstration in Erding erhalten. Und seine Bierzelttiraden balancieren teilweise gerne mal am blaunen Rand entlang. Zudem soll es mehrere ehemalige Schulkamerad:Innen geben, die anonym geäußert hätten, dass Aiwanger als Teenager rechtem Gedankengut und rechten Sprüchen zugeneigt gewesen sein soll. Zum anderen, weil noch Fragen ungeklärt sind. Z. B. warum Kopien des schäbigen Ergusses sich in des Ministers Schultasche befunden hatten. Hatte er vorgehabt, diese in der Schule zu verteilen? Auch fragwürdig: Warum das Papier auf seiner damaligen Schreibmaschine getippt worden ist – laut SZ würde das nach einer Schriftprobe einwandfrei feststehen. Hatte er das Gerät seinem Bruder wissentlich zur Verfügung gestellt? Ihm womöglich sogar beim Verfassen geholfen? Wieso hat die Schulleitung nicht die Polizei informiert, nachdem sie Kenntnis davon hatte, dass Hubert Aiwanger Abzüge des Pamphlets bei sich führte? Denn der Inhalt hätte doch damals schon den Strafbestand der Volksverhetzung erfüllt, wäre ein Staatsschutz relevantes Delikt gewesen. Warum hatte man ihn dermaßen glimpflich davon kommen lassen, nachdem er sich geweigert hatte, den angeblichen Urheber zu nennen – er hatte lediglich ein Referat halten müssen (an das sich niemand mehr erinnern kann)? Warum wurden angeblich die Eltern nicht hinzu gezogen?…
… Für mich wirkt es jetzt, als würden Ministerpräsident Söder, sein Ober-BierzeltSchreihals samt Gefolge alles daran setzen, diese Affäre so schnell als möglich unter den Teppich zu kehren – am Sonntag haben weder Aiwanger noch Söder auch nur ein einziges weiteres Wort darüber verlauten lassen. Für den Chef der Freien Wähler Bayerns ist dieses Verhalten höchst ungewöhnlich, pflegt er doch ansonsten bei jedweder Kritik ausgesprochen vehement und wortreich dagegen zu halten. Ich hoffe, dass Söder, Aiwanger & Co. das Vorhaben, den Hetzblatt-Skandal tot zu schweigen, nicht gelingen wird. Denn das hat a Gschmäckle, und zwar ein ganz faules. Ich hoffe, dass die SPD, FDP und die Grünen im Bayrischen Landtag nicht locker lassen und auf eine vollständige Aufklärung dieser höchst schmutzigen Affäre dringen werden. Ich hoffe, dass die Wahrheit über dieses in höchstem Maße antisemitische, volksverhetzende und hasserfüllte Schmierblatt alsbald in all ihren Details ans Licht gebracht sein wird! Ich hoffe, dass der Ober-BierzeltSchreihals danach seinen Hut nehmen muss. Meiner Meinung nach ist das schon seit langem überfällig…
… Montag, 28.08.2023, 13:18: Für den Dienstag hat Söder einen Sonder-Koalitionsausschuss anberaumt, in dem Aiwanger Rede und Antwort stehen soll. Man darf sehr gespannt auf das Ergebnis sein…