… Da wird jemand, der seit Jahren schon mit rechtspopulistischen Sprüchen immer wieder negative Aufmerksamkeit erregt, mit Hass und Hetze vor allem gegen die Partei der Grünen nicht spart, und während der Corona-Pandemie offenbarte, dass er anscheinend den Impfgegnern und Quer”denkern nahe steht, mit sehr schmutzigen und widerwärtigen Geschehnissen aus seiner Vergangenheit konfrontiert. Er reagiert zunächst mit Schweigen, und dann bei mehreren mündlichen und schriftlichen Befragungen ausweichend und abwiegelnd. Ganz besonders widerwärtig ist die Opferrolle, die er nur wenige Tage nach Bekanntwerden der Hetzblatt-Affäre durch einen Artikel der Süddeutschen Zeitung am 21. August 2023 einnimmt. Und schon bald ist die Rede so gut wie gar nicht mehr davon, dass ein Abscheu erregendes, die NS verherrlichendes Flugblatt in seiner Schultasche gefunden wurde, dass er judenfeindliche Witze erzählt hat, vor seinen Klassenkamerad:Innen gerne mal den Hitlergruß gezeigt, ein Exemplar des damals noch verbotenen “Mein Kampf” mit sich geführt, und in einen Schulhefter notiert haben soll: “Schwarzbraun ist die Negersau” – wofür es übrigens eidesstattlich beglaubte Aussagen gibt…
… Ironiemodus: Nein, nein, aber so ist das doch niemalsnienicht gewesen! Der arme Hubsi ist ein gar bemitleidenswertes Opfer einer beispiellosen Hetzkampagne geworden! Und das so kurz vor der Wahl! Und was er damals, vor 35 Jahren oder so, getan hat, das hat doch mit seiner jetzigen Person überhaupt nix zu tun!…
… Und so nach und nach wurde in den vergangenen Wochen das Grauen erregende Hetzblatt immer mehr zu einem eigentlich recht harmlosen Jugendstreich herabgestuft. Ja mei, man macht halt mal so manchen Blödsinn, wenn man jung ist und einem der Hafer sticht. Halb so wild. Mia san doch aa koane Engerln ned gwesn. Und an der ganzen unguten Gaudi sind nur die Grünen schuld! Die Grünen waren’s! – Ich wette, es gibt so manche Zeitgenoss:Innen hier, die mittlerweile sogar glauben, dass die Grünen dem Hubsi damals das abscheuliche Geschmiere in die Schultasche gesteckt haben. Und der ungeheuerlichste Vorwurf ist: Die Grünen, die SPD und FDP würden den Holocaust, die Shoah, für Wahlkampfgetöse und diese eingebildete Hetzkampagne gegen den Hubsi missbrauchen. Da kommt mir ehrlich gesagt jedesmal, wenn ich das sehe/höre/lese die letzte Mahlzeit wieder hoch!…
… Diese Haltung gegenüber Aiwanger und dem Hetzblatt ist brandgefährlich! Weil sie wieder einmal die Grenzen des Sagbaren ein gutes Stück weit nach rechts verschiebt, rechtsextremes Gedankengut und die Greuel der NS-Zeiten verharmlost. Und weil sie der AfD aber so was von in die Hände spielt – bei den Blaunen reibt man sich übrigens gar stillvergnügt die Hände. Gut so!, denkt man sich dort. Je mehr die Flugblatt-Affäre verharmlost und der Hubsi als bedauernswertes Opferlamm hingestellt wird, umso besser für uns!…
… Nur mal ganz kurz zur Kenntnisnahme für all jene, die den Skandal rund um den Vorsitzenden der bayrischen Freien Wähler als längst abgetan und als unfaire Wahlkampfpraktiken der Oppositionsparteien im Landtag – SPD, Grüne und FDP – bezeichnen:…
… In den elf Tagen vor Erscheinen des Artikels der Süddeutschen Zeitung über das schreckliche Hetzblatt versuchten die zuständigen Reporter fünfmal, mündlich und schriftlich Kontakt zu Hubert Aiwanger aufzunehmen. Ihm wurden sowohl die Manuskripte des geplanten Berichts als auch Kopien der Recherche-Dokumente zugeschickt mit der Bitte, sich zu äußern und dem Reporter-Team Fragen zu beantworten, damit man gegebenenfalls den Artikel umschreiben oder sogar in die Tonne treten könne. Es folgte keine einzige Reaktion des Oberbierzeltschreihalses. Nicht eine! Kein einziges Wort! Das sind vielfach belegte Fakten!…
… Er hatte es in der Hand, im Vorfeld für Klarheit zu sorgen. Er hat dies – aus welch unverständlichen Gründen auch immer – unterlassen. Und nun geriert er sich als das bemitleidenswerte Opferlamm – und ein nicht unerheblicher Teil der bayrischen Bevölkerung kauft ihm das rückhaltlos und ohne gründlich nachzudenken ab…
… Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich bin in der Regel gerne eine “bayrische Ureinwohnerin”. Und stolz auf dieses Land mit seinen mannigfaltigen Schönheiten und Traditionen. Aber was die Affäre Aiwanger anbelangt – da schäme ich mich grad für so manche meiner Mitbürger:Innen, denen diesbezüglich – mit Verlaub – der Verstand abhanden gekommen zu sein scheint, in Grund und Boden…