… Während meines Abstiegs von der kleinen Kapelle des Mesnerhäusls auf einem schmalen Wiesenpfad sah ich ihn inmitten des Moor- und Schilfgebiets am nördlichen Ufer des Riegsees. Und begann, innerlich inständig zu bitten: „Flieg nicht weg! Bitte, bitte, flieg nicht weg!“ So schnell mich meine schwachen Beine trugen, marschierte ich den Abhang hinunter, um möglichst nahe an das Ried zu gelangen. Und der wunderschöne, große Silberreiher, der da auf seinen schlanken, langen Beinen inmitten der Sumpflandschaft stand, tat mir den Gefallen und verharrte ruhig, hin und wieder auf eine sehr elegante und mühelose Weise einen Fisch fangend…
… Die guten Aussichtsplätze am Schilfrand waren rar und deshalb vor allem von den Kormoranen heiß begehrt, was hin und wieder zu Streitereien mit heftigem Flügelschlagen und lautem Geschrei führte…
… Laut trompetend wasserten zwei stattliche Kanadagänse, um mit lang gestreckten Hälsen eine Art Ballett zu vollführen – ich vermute, es handelte sich hierbei um Revierstreitigkeiten, die auf eine sehr elegante Weise ausgetragen wurden…
… Nach einer geraumen Weile Schauen, Freuen und Staunen machte ich mich wieder auf den Weg Richtung Hofheim…
… Fünf Tage lang musste ich wegen eines sehr hartnäckigen und heftigen grippalen Infekts das Bett hüten. Am Mittwoch fühlte ich während eines kurzen Spaziergangs, wie allmählich die Lebensgeister wieder erwachten. Donnerstags hielt mich dann nichts mehr in der Stadt, ich hatte eine schier unbändige Sehnsucht danach, nach langer „Abstinenz“ mal wieder im Blauen Land auf Wanderschaft zu gehen. Ich hatte mir diesmal die recht angenehme und kurze Strecke zwischen den Dörfern Aidling nahe des Riegsees – das ich hier schon mal ausführlich gezeigt habe – und Hofheim auserkoren…
… Es war ein berückend schöner Herbsttag, tiefblau spannte sich der Himmel über mir, nur im Südwesten hielten sich hartnäckig Fönwolken, Zeichen eines Tiefdruckgebiets in Norditalien…
… Langsam schritt ich dahin, genoss den herrlichen Ausblick auf den Riegsee, die sanft geschwungenen Hügel des Blauen Landes, die hoch aufragenden Berggipfel. Pferde grasten friedvoll auf einer immer noch saftig grünen Weide. Tiefrotes Laub tüpfelte den intensiv leuchtenden Himmel, späte Blüten säumten meinen Weg…
… Ein Rotmilan zog stumm seine Kreise über mir und spähte nach Beute…
… Ein Falke saß im Wipfel eines hochragenden Baumes, er stieg auf, und begann plötzlich mit dem charakteristischen Rütteln, sein plötzliches Niederstürzen war dermaßen pfeilschnell, dass ich es mit der Kamera nicht einfangen konnte…
… Nahe eines Gehöfts auf dem langgestreckten Hügelrücken nördlich des Riegsees erspähten mich vier Kälbchen und trabten neugierig geworden näher. Ich kraulte plüschige Ohren und vergrub meine Hände in den Fellwirbeln ihrer breiten Stirnen…
… Im Schatten einer Baumgruppe stand eine steinerne Stele, der eingravierte Text wies darauf hin, dass hier bis Mitte des 18. Jahrhunderts die Aidlinger Dorfkirche St. Georg gestanden hatte, bevor man ein neues barockes Gotteshaus in der Ortsmitte errichtet hatte…
… Ich passierte das Anwesen und erreichte eine kleine Kapelle, genannt Mesnerhäusl. Der Sage nach soll sich an diesem Ort in grauer Vorzeit eine Kultstätte der Frühlingsgöttin Ostara befunden haben. Ich ließ mich auf der verwitterten Holzbank an der südlichen Kapellenwand nieder und genoss den Frieden, die Ruhe, und den schönen Ausblick…
… Westlich von mir sah ich die roten Dächer von Hofheim, dem kleinen Dorf, das ich als Ziel meines Ausflugs gewählt hatte. Und unter mir lockte das Sumpfgebiet am Nordende des Riegsees. Ausgeruht marschierte ich langsam den schmalen Pfad entlang, der am Ende des langgezogenen Hügelrückens Richtung See führte…
… dass eine lang geplante Tour in der Realität überhaupt nicht meinen Erwartungen entspricht. Widerfahren ist mir das vor einigen Tagen. Schon seit einer Weile wollte ich von Aidling am Riegsee über die Aidlinger Höhe ungefähr vier Kilometer weit nach Habach wandern, einem kleinen Dorf ziemlich genau in der Mitte zwischen Murnau und Penzberg…
… Wohlgemut marschierte ich los. Die Strecke zur Aidlinger Höhe gestaltete sich wegen der Ausblicke auf die Berge, die der klaren Herbstluft wegen zum Greifen nahe schienen, recht ansprechend. Der Marsch durch den anschließenden, ausgedehnten Wald war allerdings ziemlich eintönig. Außer einem schwarzen Eichhörnchen, das mich lautstark beschimpfte, und einem Grünfink, der immer dann blitzschnell in einem Gebüsch zu verschwinden pflegte, sobald ich auf den Auslöser meiner Kamera drückte, erblickte ich weit und breit keine Tiere. Dann verlief ich mich auch noch mangels Wegweiser an einer Abzweigung, und geriet auf eine Route, die nicht nur mit grobem, scharfkantigem und höchst instabilem Bauschutt versehen worden war, sondern mich noch dazu in die Irre führte – nach fast einer halben Stunde Marsch stand ich plötzlich vor einem hohen Stacheldrahtzaun. Ich verschaffte mir mit ein paar deftigen lauten Flüchen Luft, und entdeckte, dass der richtige Weg nur etwa hundert Meter Fußmarsch durch das Unterholz des Waldes und ein munter sprudelndes Bächlein entfernt war. Ich kam mir vor wie Indiana Joan, als ich mich durch das teilweise recht dicht wuchernde Gestrüpp kämpfte, und vorsichtig auf einigen großen, runden Steinen balancierend das Bachbett querte…
… Habach ist ein hübsches kleines Dorf, das ich mir irgendwann bestimmt genauer ansehen werde. Während ich Richtung Bushaltestelle nahe der Kirche spazierte, fielen mir zwei schöne, alte Wirtschaften auf, vor einer fanden Dreharbeiten statt…
… Ein Trupp schillernder Stare hatte an dem hoch aufragenden Maibaum sichtlich großen Gefallen gefunden. Vor allem der bunt bemalte Gockel an der Spitze hatte es ihnen angetan, sie versammelten sich auf und bei ihm, laut zwitschernd, gurrend und sirrend, es wirkte, als würden sie sich angeregt mit ihrem blechernen Spezl unterhalten… 😉
… einer alten Eiche raschelt leise im trägen Sommerwind. Ab und zu dringt von einer fernen Weide das Läuten von Kuhglocken, bassbrummendes Muhen an meine Ohren, der heisere Ruf eines Raubvogels, das Tuckern eines Traktors, mit dem duftendes Sommerheu auf einer sanft geschwungenen Wiese gewendet wird. Ich habe es mir auf der betagten, grauhölzernen, leicht bemoosten Bank unter der Eiche bequem gemacht. Die friedvolle Ruhe des Blauen Landes dringt tief in mein Herz, in meine Seele. Wenn ich den Kopf nach rechts wende, sehe ich die Zwiebelturmkuppel der kleinen Barockkirche von Aidling zwischen stattlichen Bäumen hervor lugen…
… Vom kleinen Dörfchen Aidling oberhalb des Riegsees wollte ich hinüber nach Habach wandern. Doch drohend aufziehende Gewitterwolken machten meinem Vorhaben ein vorzeitiges Ende. Nach einer ausgiebigen Rast unter der schönen alten Eiche schlenderte ich gemächlich wieder zurück in den Ort, um auf den nächsten Bus meiner Lieblingslinie DB 9631 zu warten. Aber aufgeschoben ist ja bekanntlich keineswegs aufgehoben. Das schöne Sommerwetter soll uns ja noch eine Weile erhalten bleiben…
… Soll bitte ja keiner behaupten, dass man in den kleinen Dörfern auf dem Land rückständig sei! In Aidling gibt es eine, wie ich finde, sehr fortschrittliche und lobenswerte Initiative: Den sogenannten Handgeschnitzten Nahverkehr mit einer sogenannten Mitfahrbank. Wer dort Platz nimmt, möchte gerne nach Weilheim oder Murnau mitgenommen werden. Der Hintergedanke ist, dass dadurch Energie gespart, die Umwelt entlastet, und quasi leere PKWs gefüllt werden…
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