… Die Mitteilung meiner Ex-Arbeitgeberin, unerschütterlich und felsenfest am Sonntag, 23. August während eines Telefongesprächs vertreten, ich hätte durch das Verlassen meines Arbeitsplatzes am Sonntag, 16. August fristlos gekündigt, schreckte mich beinahe noch mehr als das unkontrollierte, fürchterliche, markerschütternde Gebrüll ihres Mannes, das ja der Grund für meinen flotten Abgang gewesen war. Wieder einmal brach die Welt über mir zusammen. Wie soll’s jetzt weiter gehen, vor allem in finanzieller Hinsicht? Ich werde vom Arbeitsamt gesperrt, und sicherlich auch von der ARGE. Am besten, ich pack gleich meine Siebensachen und zieh unter eine Isarbrücke.
Halt und Trost fand ich in den ungezählten Kommentaren und E-Mails, die ihr mir in jenen “schwarzen” Tagen geschickt habt, liebe Mitblogger/innen. So lange so viele gutherzige Menschen an mich denken, mit mir fühlen, Hilfe und Unterstützung anbieten, mich mit so einem Quantum guter Wünsche, guter Energien versorgen, kann mir nichts Schlimmes widerfahren!
Eine sehr freundliche Dame der ARGE tröstete mich tags darauf wenigstens ein bißchen:Das ALG II, welches ich ja zusätzlich beantragen müsste, da das mir zustehende ALG I lediglich ca. 400 € betragen würde, würde man mir auf keinem Fall sperren, es könnte für den Zeitraum von sechs Wochen um zwanzig Prozent reduziert werden, aber nach der Schilderung meiner problematischen Situation glaube sie das eher nicht. Meine Stimmung hob sich ein klein wenig. Nun, das würde dann wenigstens die Miete zahlen. Und der Rest… Während meiner länger währenden Arbeitslosigkeit vor einigen Jahren hatte ich es gelernt, mit fälligen Zahlungen zu jonglieren – ein bisschen schieben da, ein wenig stunden dort, einen Monat unter den Tisch fallen lassen hier…
Ich beschloß, diese Lage nicht kampflos hinzunehmen. Wozu zahlte ich seit vielen Jahren die monatlichen Beiträge an die Gewerkschaft? So setzte ich mich auf den Hosenboden und schilderte in einem ausführlichen Brief, was sich Mitte August in dieser Wirtschaft abgespielt hatte. Die E-Mail einer Bloggerfreundin, Anwältin von Beruf, die mir ihre Unterstützung zusicherte, falls es hart auf hart kommen sollte, war wie eine frische Brise in meinen Segeln. Ich schwang mich aufs Fahrrad und beschloß, den herrlichen Spätnachmittag zu nutzen und aufs Geratewohl ein paar Lokale abzuklappern, ob dort Personal gesucht würde. Leider erfolglos.
Halt, nein, nicht ganz! Während ich gemütlich dahin strampelte, kam mir eine Idee: Wie wär’s, wenn ich versuchen würde, meine sehr, sehr schmalen Brötchen ein bisschen aufzubessern? Indem ich mich als Vorleserin anbiete? In Seniorenheimen, Krankenhäusern, bei Familien- oder Weihnachtsfeiern, im privaten Kreise? So machte ich mich daran, diese Idee genau zu durchdenken, plazierte zwei Anzeigen bei “meinestadt.de” und “kijiji” und entwarf einen simplen Flyer.
Einem Tipp einer lieben Mitbloggerin (Soni) folgend hatte ich mich kurz zuvor bei textbroker.de angemeldet und nach dem Überwinden einer ordentlichen Hemmschwelle meine ersten Texte verfasst, die auch prompt gekauft und mir gut geschrieben worden waren. Wieder ein kleines, aber wertvolles Erfolgserlebnis. – Mittlerweile habe ich bereits eine ganz ordentliche Anzahl Aufträge bearbeitet. Man kann sicherlich keinerlei Reichtümer damit ansammeln, so viel steht fest. Aber wenn das Honorar wenigstens die monatliche Telefonrechnung aufwiegen würde, wäre das schon was! Kleinvieh pflegt ja schließlich auch Mist zu machen!
Bereits zwei Tage nach meinem Schreiben an die Gewerkschaft kam die schriftliche Antwort: Laut § 623 Bürgerliches Gesetzbuch bedarf eine Kündigung, ob fristgerecht oder nicht, in jedem Falle der schriftlichen Form. Während eines Termins beim Arbeitsamt, wobei ich der mit stark südländischem Akzent sprechenden Sachbearbeiterin nur durch unzählige Wiederholungen und mit viel Mühe den Vorfall in der Wirtschaft und meine jetzige Situation begreiflich machen konnte, erfuhr ich, daß man mich in jedem Falle sperren würde, bis eine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erfolgt sei und ein Urteil vorliege. Na bravo, dachte ich, das kann ja Monate dauern! Und ich soll mich vors Gericht schleifen lassen, um beweisen zu müssen, daß ich im Recht bin?
Zuhause hatte ich im Badezimmer eine weitere “Geschäftsidee”: Ein mobiles Schreibbüro. Es gibt ja sehr viele Mitmenschen, die sich hart damit tun, ein behördliches oder privates Schreiben zu verfassen. Und das könnte ich für einen gewissen Obolus, ich dachte da an drei Cent pro Wort, gerne übernehmen. Ein kleines Netbook, mit Words oder OpenOffice ausgestattet, und ein tragbarer Drucker wären die nötige Ausrüstung. Dann könnte ich die Aufträge direkt vor Ort bearbeiten… Am Abend rief Timo an: Ein Bekannter, der nahe des Viktualienmarktes einen Kräuterladen betreibe, würde eine Verkäuferin suchen, ich solle doch dort mal vorbei schauen. Dann erfuhr ich noch, daß mein ehedem innig geliebtes Opernrestaurant für die neue Spielsaison Aushilfen einstellen würde. Und die Sandra, Dritte im Bunde bei unserer Florida-Reise, versprach, mal nachzuforschen, ob man mich während der Wiesnzeit nicht im Cafe R… arbeiten lassen könne…. Aufwind!!!
Ich beschloß tags darauf, den Stier bei den Hörnern zu packen. Und verfasste ein Brieflein an meine Ex-Arbeitgeber, in dem ich sie auf den schönen § 623 BGB hinwies. Und auch darauf, daß die Gewerkschaft im Bilde wäre und eine befreundete Anwältin, Spezialistin auf dem Gebiet Arbeitsrecht, mich jederzeit unterstützen würde, ich mir aber sehr ein anderes Ende unserer gemeinsamen zwei Jahre wünschte. Dann ersuchte ich die Beiden höflich darum, eine beigefügte und auf den 16. August zurück datierte Arbeitgeber-Kündigung meines Arbeitsverhältnisses zum 1. September – also fristgerecht – zu unterzeichnen und zurück zu senden.
Timo lieh mir sein Auto und ich fuhr am Samstag Abend in die Wirtschaft, um den Spind auszuräumen und den Hausschlüssel, und das Brieflein an die Ex-Chefitäten, abzugeben. Es entspann sich ein freundliches, warmherziges und sehr sachliches Gespräch mit Gudrun, der Vertrauten der Ex-Chefitäten, bei dem es mir sogar gelang, Verständnis für meine Sicht der Geschehnisse vom 16. August zu erwecken. Bis sich der “schöne” Ex-Kollege Konrad einmischte, ein alkoholkrankes, von seiner wohlhabenden, neureichen Mutter gnadenlos verzogenes und verwöhntes fünfundvierzigjähriges “Bürscherl”, und mit seinen arroganten und besserwisserischen Einwürfen der guten Stimmung ein jähes Ende bereitete.
Gestern früh klingelte das Telefon. Meine Ex-Chefin war am Apparat und eröffnete mir Folgendes: “Margot, wir kündigen Ihnen nicht, wir bezahlen Sie noch bis zum Vertragsende am 30. September, Sie brauchen aber nicht mehr für uns zu arbeiten…” Ich war baff. Damit hatte ich nicht im Geringsten gerechnet! Dieses Arrangement – Schmerzensgeld? Schweigegeld? Wiedergutmachung? – würde einige Probleme lösen. Miete und etliche Unkosten für Oktober bezahlt. Keine bevorstehende Sperre vom Arbeitsamt oder Kürzung von Hartz IV. Aufatmen! Ich bedankte mich erleichtert und wünschte den Beiden ganz ehrlich gemeint alles Gute…
Nun, das ist jetzt der neueste Stand der Dinge. Jetzt werd ich noch eine Handvoll Flyer ausdrucken und in den Praxen meiner Hausärztin und meines Zahnarztes verteilen. Und dann zum KVR radeln, einen neuen Reisepass beantragen. Und dann einen Abstecher zu diesem Kräuterladen machen. Eine Festanstellung geht ja nun vor Anfang Oktober nicht, aber vielleicht kann ich da ja als Aushilfe arbeiten? Drei Tage die Woche? Dann hätte ich Zeit genug, mich um das Vorlese- und Schreibbüro-Projekt zu kümmern. Und für textbroker.de zu schreiben. Und zu träumen. Und Pläne zu schmieden…