Als Kind war ich ein Wildfang und hatte so gar nichts mit einem gesitteten und gepflegten Mädchen gemein. Meine einzige Puppe, eine Barbie, hielt meinen Grobheiten nicht lange stand, für hübsche Kleidchen und schicke Schühchen hatte ich nichts übrig. Am liebsten strolchte ich in mehr oder weniger verschmutzten und ausgefransten Jeans, Shorts, T-Shirts und Pullovern herum, in ausgelatschten Turnschuhen oder fürchterlich ramponierten Cowboystiefeln. Ich tobte bevorzugt mit einer Jungens-Clique aus der Nachbarschaft durch die Wälder und die Auen entlang der Königsseer Ache. Das einzig sichtbare weibliche Merkmal waren zwei nahezu armdicke Zöpfe, die mir bis über die Hüften fielen. Meine Mutter plagte sich allmorgendlich eine halbe Stunde lang, bis sie die wilde und dichte Mähne entwirrt und wieder propper geflochten hatte. Mir trieben die harten, zahllosen Bürstenstriche oftmals viele, viele Tränen in die Augen. Dies war aber nicht der einzige Nachteil der Haarpracht. Spielten wir Cowboy und Indianer, musste ich es mir in der Regel gefallen lassen, an den Marterpfahl gefesselt zu werden, eine Baumruine, in die vor vielen Jahren der Blitz eingeschlagen hatte, die Oberfläche des Stammes war völlig rindenlos, und von Wind und Wetter so glatt wie die Haut eines Pfirsichs geschliffen worden, und wenn man ein Ohr daran legte und die Luft anhielt, konnte man im Inneren Käfer und Holzwürmer werkeln hören. Auch wenn wir Winnetou von Karl May in Szene setzten, kam ich schlecht weg, da ich die Schwester des großen Häuptlings darstellen musste – und die segnet ja bekanntermaßen ziemlich bald das Zeitliche…
Eine kleine, etwas autobiografische Kurzgeschichte zum Schmunzeln und Entspannen. Weiterlesen bitte hier:
https://dasstaunenderwelt.wordpress.com/2023/09/03/a-haarige-gschicht/
Ich wünsche euch einen schönen und erholsamen Sonntag!
12 Antworten zu “A haarige Gschicht…”
Tja, liebe Martha, da warst Du einige Jahrzehnte zu früh dran. Schade.
Viele Grüße
Hedwig
Das war bei manchen Berufswünschen so, die ich damals hatte. Egal, ob Astronautin, Fußballerin oder Flugkapitänin – immer hat es in meiner Kindheit und Jugend geheißen: “Das ist aber nichts für Frauen!”. 😉
Liebe Grüße!
Hab deine haarige Gschicht mit Genuss gelesen, liebe Martha und zumindest etwas konnte ich vieles davon, aufgewachsen zwischen zehn Brüdern und einer etwas älteren Schwester, auch mit Schmunzeln im Gesicht bestens nachvollziehen!
Liebe Grüße und hab noch einen schönen Tag 🌞🍀🌺🤗
Danke, liebe Hanne! – Zehn Brüder – das ist bestimmt nicht immer einfach für dich gewesen. 😉
Einfach wars wirklich nicht immer, aber es waren ja auch andere Zeiten und zumindest wurde es nie langweilig wenn ich mit paar meiner Brüdern auf Bäume kletterte oder überhaupt entsprechend unterwegs war.
Meine 3 Jahre ältere Schwester war etwas anders, “damenhafter” drauf als ich und mehr mit ihren Freundinnen unterwegs, was mir zu langweilig war. 😉
Eben, es waren andere Zeiten… Ich staune in der Rückschau oft darüber, mit wenig wir uns zufrieden gegeben hatten, und was für ein gutes Leben ohne den ganzen technischen Schnickschnack wir doch eigentlich hatten.
Ohja, liebe Margot, das kommt mir bekannt vor. Ich bin in einem winzigen Bauerndorf im tiefsten Sauerland aufgewachsen und da sahen wir Mädchen alle so aus. Wir trugen Zöpfe, Flechtkränze über den Kopf oder die heute wieder sehr angesagten Boxerbraids. Jeans gab es irgendwie noch nicht, jedenfalls nicht bei uns, wir trugen irgendwelche Flanellhosen oder im Sommer Baumwollshorts. Für die Feiertage hatten wir “Sonntagskleider”.
Hach, ja, die Sonntagskleider, die kenne ich auch noch. Wehe, man hat da versehentlich einen Fleck auf diesem Teil hinterlassen! 😉
Mein jüngster Onkel war mal eine Weile als Luftwaffen-Bodenpersonal drüben in Arizona, so als eine Art Austausch-Soldat. Und da hat er mir Jeans mitgebracht. 😉
Die Welt war damals weniger gerecht als sie es heute ist. Na ja, drehen wir das mal ein bisschen um und sagen, dass sie heute ein bisschen gerechter ist!
Ich habe übrigens auch lange Zöpfe gehabt!
VG
Christa
So ist es! Heute dürfen Frauen Fußball spielen, Flugzeuge fliegen und sich als Astronautinnen sogar ins All begeben… 😉
Liebe Grüße!
Wie schade, dass es damals noch keinen Frauenfußball gab !
Dass Frauen bzw. Mädchen Fußball spielten, war damals, vor fast sechzig Jahren, höchst unschicklich. Meine Mutter versuchte immer, mir damit Angst zu machen, ich würde Hammerzehen bekommen und schief eingewachsene Zehennägel, was sich zum Glück nicht bewahrheitet hat. 😉