Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Der Wiener Zentralfriedhof…

… ist dermaßen weitläufig, dass dort sogar jede halbe Stunde bis ca. 17:00 Uhr eine Buslinie auf einem Rundkurs mit insgesamt 19 Haltestellen verkehrt. Als Myriade und ich von der Alten Jüdischen Abteilung aus dem Haupttor zuschlenderten, hielt einer der Elektrobusse direkt neben uns und der sehr freundlicher Chauffeur erkundigte sich danach, ob er uns mitnehmen dürfe. Wir lehnten höflich ab und begaben uns auf einen interessanten Streifzug durch nunmehr sehr gepflegte Gräberreihen…

… Das habe ich auch noch nie gesehen: Auf dem Grabstein ist bereits der Name des noch lebenden Ehepartners samt Geburtsdatum eingraviert, so dass im Falle des Ablebens nur mehr der Todestag ergänzt werden muss. Links hat man sogar das wohl gemeinsame Taxi verewigt…

… Ebenfalls denkwürdig empfanden wir die Berufsbezeichnung K.K. Hofzuschrotter. Zum Glück gibt es ja das WorldWideWeb, mit dessen Hilfe sich leicht herausfinden ließ, dass es sich dabei um die längst vergangene Zunft der Fleischzerkleinerer handelt. Als Hofzuschrotter wurde jener Metzger bezeichnet, der in den Schlachtereien ausschließlich das beste Fleisch für den Wiener Hof ausschnitt…

… Da will jemand auch nach seinem Tode auf gar keinem Fall den Überblick verlieren…

… Wunderschön sind die vielen stattlichen Alleen, die den riesigen Gottesacker durchziehen. Einige sind nicht nur in dem weltberühmten Streifen  “Der Dritte Mann” auf Zelluloid gebannt worden, seit jeher erfreut sich der Zentralfriedhof bei den Filmemacher:Innen weltweit großer Beliebtheit. Und ich glaube, es war die unten abgebildete Allee, in der ziemlich am Schluss des düsteren Leinwandklassikers Alida Valli an Joseph Cotton vorbei marschiert und ihn mit versteinertem Gesicht keines Blickes würdigt…

… Nahe des Haupttors gönnten wir uns eine kleine Pause und erfreuten uns im Café an feiner Zitronenbaisertorte, Käsetoast und sehr schmackhaften Limonaden – nicht nur im Kreieren von verführerischen Süßspeisen, sondern auch im Mischen alkoholfreier Erfrischungsgetränke sind die Wiener wahre Meister…

… Gestärkt wandten wir uns dem Halbkreis der Alten Arkaden zu, in welchen einige der über 350 sogenannten Ehrengräber untergebracht sind…

… Ganz besonders auffallend fand ich das Bergwerkgrab des Journalisten, Bankiers, Bergwerksbesitzers und Gründer der freien Presse August Zang

… Aber nicht nur ehrenwerte Persönlichkeiten haben in den Alten Arkaden ihre letzte und prunkvolle Ruhestätte gefunden, sondern auch der immer noch recht zwielichtige und umstrittene Dr. Rakhat M. Aliyev, ein kasachischer Politiker und Botschafter in Österreich. Er soll an der Entführung und Ermordung zweier Bankiers in seinem Heimatland beteiligt gewesen sein. Nachdem gegen ihn auch in Österreich und Deutschland wegen etlicher Vergehen wie Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Mord und Misshandlung zweier Landsmänner ermittelt worden war – kurz zuvor hatte man auf einem seiner Grundstücke die Leichen der Bankiers entdeckt – wurde er im Juni 2014 am Wiener Flughafen verhaftet und inhaftiert. Ende Februar 2015 soll er in seiner Zelle unmittelbar vor einer Gerichtsverhandlung, in welcher er gegen zwei Gefängnisinsassen auszusagen hatte, Selbstmord begangen haben. Nach neuesten Erkenntnissen heisst es jedoch, dass er erdrosselt worden sei. Die Geheimnisse rund um Aliyev und sein Ende sind immer noch nicht aufgeklärt…

… Unweit der Grablege des mysteriösen Aliyev befindet sich eine ebenso rätselhafte und anscheinend unvollendete. Erst gute fünf Wochen nach meinem Wien-Aufenthalt Anfang Juli stieß ich im WWW auf die Erklärung: Diese Gruft ist im Besitz eines japanischen Bestattungsunternehmen, das für Musikliebhaber:innen aus aller Welt einen letzten Ruheplatz in der Nähe der Großen der Musikgeschichte – Beethoven, Mozart, die Herren der Walzerdynastie Strauß, Robert Stolz, Udo Jürgens etc. – gegen ein beträchtliches Salär bereit hält. Es ist zur Zeit Platz für ca. 200 Urnen vorhanden…

… Den Mittelpunkt des Zentralfriedhofs bildet die Kirche zum Heiligen Karl Borromäus. Sie wurde von 1908 bis 1911 im Jugendstil mit Anlehnung an Elemente ägyptischer Baukunst errichtet. An einem stillen Nachmittag kann es schon mal vorkommen, dass ein Reh auf grazilen Läufen an dem imposanten Gotteshaus ohne Scheu und Eile vorbeischlendert…

… Hinter den Alten Arkaden liegen die Grabstätten vieler großer Berühmtheiten. Und dorthin nehme ich euch beim nächsten Mal mit…

… Ich wünsche euch noch ein wunderprächtiges Wochenende!…


8 Antworten zu “Der Wiener Zentralfriedhof…”

  1. So alte Grabmäler finde ich auch immer wieder spannend. Manchmal kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen und sich rührende oder gruselige Geschichten dazu ausdenken…
    Jetzt würde ich zu gern unsere Tochter am Ende des Monats nach Wien begleiten, allein um den Zentralfriedhof zu besuchen. Aber das glaubt mir keiner mehr, dass ich in der 12. Klasse bin und auf Jahrgangsstufenfahrt😂

  2. Sehr beeindruckend – ich gehe gerne über Friedhöfe, schaue mir die diversen Gräber an und denke mir bei vielen, ob denn da noch irgendjemand da ist, der an die im Grab Liegenden denkt.
    VG
    Christa

  3. Also, das mit der japanischen Firma, die 200 Urnenplätze bereit hält gegen hohes Entgelt, damit man sich als Musiker in der Nähe von Straussens oder Udo Jürgens verflüchtigen kann, finde ich schon sehr pervers. Also nicht nur “Sex sells”, auch noch “Fame sells”, oder wie immer man das nennen will.

    • Ich bin da ganz deiner Meinung. Es ist zwar seit langem schon so, dass man mit dem Tod gute Geschäfte machen kann – aber dies toppt schon alles. Zumal diese Gruft nicht einmal in unmittelbarer Nähe der Grablegen der Großen der Musikgeschichte ist, sondern schon noch mindestens 100 Meter davon entfernt.

Ich freue mich über eure Kommentare! Also haut in die Tasten, ihr Lieben!

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

This function has been disabled for Marthas Momente-Sammlung.