Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Vergänglichkeit…

… Im Nachbarhaus gegenüber muss vor kurzem jemand gestorben sein. Man hatte eine Firma damit beauftragt, die Wohnung zu entrümpeln. In einem der beiden größeren Sprinter polterte eine schlecht verstaute Kiste zu Boden und der Inhalt, viele Bücher, verteilte sich auf der Straße. Ich beobachtete, wie zwei Männer des „Räumkommandos“ lachend und feixend sich mit den Füßen die Druckwerke zukickten, wie die Seiten vom Straßenstaub verschmutzt wurden, die Deckel und Schutzumschläge rissen, und mir wurde ganz weh zumute…

… Ich gehe mit Riesenschritten auf die Siebzig zu. Die Einschläge kommen immer näher, und jederzeit könnte mein letztes Stünderl schlagen, auch wenn ich mich grad ausgesprochen wohl und fit fühle. Was wird dann mit all den Dingen geschehen, die mir so am Herzen liegen? Dem Spiegelteleskop aus meinen Kindertagen, das den Schreibtisch ziert? Dem Globus in all seiner verlockenden Farbenpracht? Meiner Quietsche-Entchen-Sammlung? Und vor allem meinen vielen, vielen Büchern, die ich so liebe, und die mir unendliche Stunden der Freude, Spannung, des Wissens, der Erkenntnis beschert haben? Werden sie auch unsanft behandelt und zerfleddert auf dem nächst gelegenen Wertstoffhof landen?…

… Dann jedoch schalt ich mich nach einer langen, depressiven Weile eine Närrin. Ich werde wohl für immer von dieser Erde verschwunden sein, wenn dies geschieht. Eingegangen ins ewige Nichts, in die ewige Ruhe, vielleicht auch in eine neue, andere Existenz, wer weiß das schon. Ich werde das höchstwahrscheinlich nicht mitbekommen, wie man mit meinen irdischen Habseligkeiten verfahren wird. Und dass man sie, bis vielleicht auf einige wenige Erinnerungsstücke, entsorgen wird, ist doch völlig in Ordnung. Das gehört zum Lauf der Welt, zum Aufblühen, Werden und Vergehen. Wer von meinen wenigen Hinterbliebenen hätte denn auch Platz genug, um über tausend Büchern und meinen anderen Sammelsurien ein neues Zuhause zu geben. So etwas zu erwarten wäre doch völlig absurd. Und das Wichtigste ist doch, dass mich Bücher, Entchen, Spiegelteleskop, Globus, Manuskripte, externe Festplatten voll mit mittlerweile über 100.000 Fotos, ungezählte Landkarten etc. jetzt und hier, in meinem Leben, glücklich, zufrieden und auch ein wenig stolz machen. Dass sie mir jetzt zeigen, wer ich bin. Dass sie jetzt Zeugnis ablegen von meinem unstillbaren Wissensdurst, meinen breit gefächerten Interessen, meiner Verspieltheit und Phantasie…

… Apropos Bücher – Jules von der Ley hat neulich die Frage nach dem Lesestoff der Kindheit in die Runde geworfen. Und die möchte ich am Ende dieses Posts gerne beantworten: Die Bücher von Karl May habe ich förmlich verschlungen, zudem die Hornblower-Romane von C. S. Forrester. Sowie alles über den Wilden Westen und Piraten, was ich in der kleinen Schulbücherei in die Finger bekommen konnte oder mir von meinem Vater geliehen wurde. Und als Rossnarrische natürlich Pferdebücher ohne Ende! Etliches an Literatur meiner Kindertage habe ich immer noch hier in meinem Wohnzimmer in einem Regal stehen. Ich hatte einen so gar nicht mädchenhaften Geschmack bei der Auswahl meines Lesestoffs, so was wie „Hanni und Nanni“ konnte mir gestohlen bleiben. Ich glaube, man hat sich damals schon gelegentlich Gedanken gemacht, ob ich denn nun wirklich weiblichen Geschlechts sei. 😉 Diese Sorgen dürften sich aber dann spätestens mit meinen fortgeschrittenen Teenager-Jahren gelegt haben… 😉

… Kommt gut ins Wochenende. Bleibt bzw. werdet gesund, habt es fein, seid gut zueinander. Und würdigt eure Schätze, eure Fähigkeiten und Talente…


22 Antworten zu “Vergänglichkeit…”

  1. Ein so rüpelhaftes und extrem dummes Verhalten sehen zu müssen kann ziemlich hart sein und ich kann deine Gedanken dazu sehr gut verstehen, auch nachvollziehen liebe Martha!
    Bevor unsere Tochter ihre vorherige Wohnung, in der jahrzehntelang eine alte Dame lebte bezog, wurde sie von deren Sohn gefragt ob sie etwas aus der mit unzähligen schönen Erinnerungen, auch an Urlaube usw. fast etwas überladenen Wohnung haben möchte. Er selbst nahm sich nur sehr persönliche Dinge mit, alles andere wurde von einer Firma teils über den Balkon in bereit gestellte Container geworfen und entsorgt.
    Alles ist vergänglich und auch wenn wir nach unserem Ableben alles unseren Kindern überlassen, werden sie ganz bestimmt nicht alles so aufbewahren wie wir, weil nunmal keinen direkten Bezug dazu und entsprechend entsorgen.
    Es gibt ja auch die Möglichkeit hochwertige Dinge wie z. B. auch Bücher zu wohltätige Zwecken in einem Testament verfasst zu spenden. So kann man sich zumindest sicher sein, dass nichts was einem ein Leben lang am Herzen lag auf dem Müll landet.
    Liebe Grüße und komm gut ins Wochenende 🤗🍀🌼

    • Danke schön. 🙂
      Je nun, Leidenschaften, Geschmäcker und Hobbies sind nun mal höchst unterschiedlich. Und nicht jede/r ist eine begeisterte Leseratte. Aber dass es Menschen gibt, die Bücher dermaßen respektlos und unsensibel behandeln, hat mich schon sehr getroffen. Am liebsten hätte ich laut „Aufhören!“ geschrien.
      Die Bücher nach dem Ableben zu spenden ist eine sehr gute Idee. Ein ganz herzliches Danke schön, liebe Hanne, für diese Inspiration.
      Ich grüße dich herzlich!

    • Danke schön. 🙂
      @Hanne hat in ihrem Kommentar eine schöne Anregung geschrieben: Die Bücher testamentarisch zu wohltätigen Zwecken spenden.
      Eine etwas skurrile Idee hat seinerzeits Hermann Hesse in die Tat umgesetzt: Ihm wurden ungemein viele Manuskripte und Druckwerke zum Lesen und Beurteilen zugeschickt. Doch er dachte überhaupt nicht daran, sich damit abzugeben, sondern verwendete die Bücher, um damit die Gartenwege seines Anwesens in Gaienhofen am Bodensee zu stabilisieren. 😉

  2. Keine schöne Situation, das mit den Büchern. Allein: Wir haben im Winter das Haus meiner Eltern leer geräumt und letztlich verkauft. Es war irre viel Arbeit, verbunden mit vielen Erinnerungen und somit in jeder Hinsicht nicht leicht. Aber: Irgendwann muss man pragmatisch werden, sonst wird man nie fertig. Wir mussten tonnenweise Möbel, Bücher, Hab und Gut verteilen und letztlich auch entsorgen. Das geht nur schwer mit Würde. Daher ist das beste, was man selbst tun kann: Dieses Aufräumen nicht anderen, zum Beispiel den Kindern zu überlassen, sondern zu mir Lebzeiten sich selbst darum zu kümmern. Hab ich mir jedenfalls fest vorgenommen.

  3. Diese Gedanken sind wohl mit dem zunehmenden Alter verbunden. Mir kommen sie auch, aber sie wirken sich eher so aus, dass ich meine Besitztümer reduziere, was auch damit zu tun hat, dass ich mittlerweile drei Haushalte nach Todesfällen aufgelösen musste und ich ehrlich gesagt genervt war, dass dieses Festklammern an Dinge, mich in die Lage brachten, alles auf den Müll zu bringen. Das mit den Weitergeben klappt ja nur bedingt, also intakte Kleidung oder so und einige Bücher. Aber im Großen und Ganzen haben die meisten Menschen einfach selbst genug und haben auch nicht den Platz. Vor allem ist es ja nur ein Aufschieben des Entsorgens, denn irgendwann bleibt es wieder über.
    Natürlich habe ich gut reden. Meine Besitztümer lassen sich leicht in einem Sprinter unterbringen und sie reichen mir. Die meisten Menschen brauchen halt mehr für ihr Wohlbefinden. Ist halt individuell. Ich habe zum Beispielt meiner Tochter auch gesagt, gib alles weg, fühle dich nicht verpflichtet irgendetwas zu behalten, nur weil Mum daran gehongen hat.

    • Ja, das denke ich auch, dass das eine Alterserscheinung ist.
      Ich habe in den letzten Jahren auch Vieles entsorgt bzw. gespendet oder weiter gegeben, was ich mit der Zeit als nicht nötig oder unwichtig erachtet habe, auch Druckwerke. Mit Mobiliar, den restlichen Büchern, von denen ich mich zur Zeit auf gar keinem Fall trennen möchte, und allem anderen Drum und Dran wird nach meinem Ableben aber wohl doch ein LKW nötig sein, um meinen Krempel zu entsorgen. Aber wie schon im Post gesagt – ich bin niemandem gram, wenn nach meinem Dahinscheiden nichts Materielles mehr übrig bleibt. Hauptsache, ich hatte in diesem Leben Freude daran.

  4. Ich kenne das Thema. Vor ziemlich genau einem Jahr starb meine Mutter und auch bei uns ergab sich die Fragen, was sollen wir mit all diesen Sachen machen. Obwohl meine Mutter schon vor Jahren angefangen hatte, Sachen zu verschenken, blieb uns (meiner Schwester und mir) nichts anderes übrig, als eine Firma zu bestellen, die das Haus ausräumt und entsorgt. Wir hatten Glück und konnten Einiges (speziell Kleidung, Bettwäsche, Handtücher, usw.) beim Roten Kreuz abgeben, aber letztendlich wurde es ein Container voll, der abtransportiert werden musste. So schwer es uns bei einigen Sachen gefallen ist, sie zu entsorgen, aber wir hatten keine andere Wahl.
    Liebe Grüße,
    Roland

    • Nein, eine Wahl hat man da wohl nie…
      Das Wichtigste ist, so denke ich, dass man einigen Menschen in guter Erinnerung bleibt, unabhängig davon, dass die irdischen Besitztümer eben nach Ablauf der Lebenszeit auch den Weg alles Irdischen gehen müssen.
      Liebe Grüße!

  5. Ich erinnere mich auch eher mit Schrecken an das Leerräumen des Hauses meiner Eltern. Andererseits hat meine eine Großmutter konsequent alle persönlichen Dinge weggeschmissen inklusive Papiere und das war auch nicht erfreulich …

  6. Ich frage mich auch, was mit meinen Sachen passieren wird und wenn einem meiner Kinder was ausserordentlich gut gefällt, dann gebe ich ihnen das jetzt. Allerdings sind das nur Kleinigkeiten und man merkt gar nicht, dass sie nicht mehr da sind. Wir haben schon Bücher in die hiesige Bücherei gegeben – vielleicht geht so was in Deutschland ja auch!
    Es ist auch so, dass die Jungen heute alles haben und nicht viel von unseren Sachen wollen, insofern werden wohl viele meiner Dinge auch den Weg in einen Container gehen. D.h. dass ich mich, so lange wie möglich, an meinen Sachen erfreuen werde!
    VG
    Christa

    • Es gibt hier in München etliche öffentliche Bücherschränke. Und das Sozialkaufhaus der Diakonie, dem ich seit einer Weile schon auch immer wieder Klamotten, Bettwäsche etc. spende. Und die Ablage über der Heizung in unserem Hausflur. Wenn man da etwas deponiert, hat es binnen kurzem neue Besitzer:Innen gefunden. 😉
      Eben! Es gilt, sich an seinen Dingen zu erfreuen, so lange man das kann!
      Liebe Grüße!

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