Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Sänk yu for trävelling wis se Deutsche Bahn…

… Ungefähr zehn Tage vor meiner Reise nach Hamburg machte ich mich im WWW über den sogenannten Mobilitätsservice der DB für Schwerbehinderte schlau, und beschloss, das mal auszuprobieren. Ich bestellte Hilfen beim Ein- und Aussteigen mit Rollator. Von da an bekam ich täglich mindestens zwei SMS, die mich daran erinnerten, dass ich am 20. April morgens nach und am 21. April abends von Hamburg den kostenfreien Mobilitätsservice gebucht hatte…

… Am Mittwoch stand ich ca. 20 Minuten vor der Abfahrt des ICE nach Hamburg um 7:18 Uhr auf dem Bahnsteig und wartete. Ein junges Paar bot sich an, mir zu helfen, ich lehnte freundlich dankend ab und erklärte, dass ich bei der DB Unterstützung angefordert hätte. Nur – da kam niemand…

… Ca. zehn Minuten nach Sieben setzte sich ganz, ganz weit entfernt am Servicepoint in der Schalterhalle eine Dame im DB-Dress in Bewegung. Sie ging dermaßen langsam, dass es ein Leichtes gewesen wäre, ihr unterm Marschieren die Schuhe neu zu besohlen. Die jungen Leute, die mir beim Warten Gesellschaft geleistet hatten, schüttelten die Köpfe. „Wenn das Mädel nicht mindestens einen Zahn zulegt, ist der Zug längst weg, bevor es hier angekommen ist. – Wir helfen Ihnen jetzt in den Waggon, basta!“…

… Das Verstauen des Rollators bereitete einige Probleme. Denn in den hochtechnisierten ICEs ist es immer noch so gut wie unmöglich, Rollatoren, Rollstühle und Kinderwagen so abzustellen, dass sie niemandem im Weg sind – in den meisten Regionalzügen gibt es mittlerweile dafür eigene Abteile. Zudem sind die Gänge zwischen den Sitzreihen dermaßen schmal, dass man mit einem der genannten Hilfsmittel nur schwierig vorankommt. Steht ein schwerer und großer Koffer nur wenige Zentimeter vor, dann ist die „Reise“ durch den Waggon vorerst zu Ende…

… Aufgrund einer „technischen Störung“ funktionierten die Reservierungsanzeigen über den Sitzen nicht, auch nicht die Anzeigen für die Wagennummern außen und innen, das Bistro der 2. Klasse war geschlossen – kein Strom – und das Bord-Internet brach ständig zusammen…

… Bis Würzburg lief die Fahrt reibungslos. Und dann hielt der ICE mitten in einem langen Tunnel an. Und stand. Und stand. Und stand. Erst nach einer guten Viertelstunde bequemte sich eine der Zugbegleiterinnen, darauf hinzuweisen, dass wir in einem Tunnel stehen – *hahaha!*. Grund sei eine Baustelle. Bei der Einfahrt in den Bahnhof von Fulda hatte der Zug eine Verspätung von etwa einer Viertelstunde. Noch kein Grund, sich Gedanken zu machen…

… Von da an wuchs die Verspätung von Halt zu Halt stetig an. Bei Göttingen war es schon eine halbe Stunde. Nun ja, das ist so schlimm jetzt nicht, dachte ich in meiner heiligen Einfalt, ich kann immer noch meine Pläne für diesen Tag in Hamburg problemlos durchziehen…

… Dann bewegte sich der ICE nur mehr im Schneckentempo vorwärts und kam am Ortsrand von Hannover wieder zum Stehen. Und stand. Und stand. Und stand. Angeblich seien sämtliche Einfahrtsgleise in den Bahnhof von Hannover belegt. Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis sich der Zug wieder in Bewegung setzte, quälend langsam. Die Zugbegleiterin meinte, dass wir jetzt mit etwa einer Stunde Verspätung in Hamburg ankommen würden. Jetzt wurde ich doch ärgerlich. Eine liebe Mitbloggerin würde mich kurz am Hamburger Hbf empfangen. Ich hasse es, Leute warten zu lassen! Auch das frühe Einchecken ins Hostel konnte ich nun knicken. Und die geplante Hafenrundfahrt war auch im A…, denn ich hatte den Gutschein von Barkassen Meyer, und da legt um 15:00 Uhr die letzte Tour von den Landungsbrücken ab. Unmöglich, das noch zu schaffen!…

… Nach der Ausfahrt vom Hannoverschen Bahnhof meldete sich die Zugbegleiterin, hier herrsche grade das totale Chaos, und man müsse deshalb unseren ICE jetzt umleiten. Wahrscheinlich würde man Hamburg Hbf statt um 12:54 Uhr erst gegen 14:30 Uhr erreichen. Das Züglein zuckelte quälend langsam durch die Landschaft, die mir sehr gefiel – Dörfer mit dunklen Backsteinhäusern, Felder, Seen, kleine Flussläufe…

… Endlich schlichen wir in den Hamburger Hauptbahnhof, in letzter Sekunde hatte man beschlossen, statt auf Gleis 8 auf Gleis 14 einzufahren – die liebe Rose wartete natürlich auf Gleis 8 auf mich…

… Eine nette Dame vom Mobilitätsservice stand bereits an der Waggontür, als der Zug anhielt. Und wenig später konnten Rose und ich uns endlich umärmeln. Wir schwatzten eine kleine Weile, verabredeten uns für den Donnerstag Vormittag an den Landungsbrücken zur gemeinsamen Hafenrundfahrt, und dann begab sie sich per Bus wieder nach Hause, und ich Richtung Hotel…

… Wäre ich wie geplant um halb Zwei dort eingetroffen, hätte ich wahrscheinlich problemlos unverzüglich einchecken können. Ich kam kurz nach Drei an, und da stand eine lange Schlange neuer Gäste an der Rezeption. Zudem gab es keinen Zugang für Schwerbehinderte, ich musste den Reiserucksack und den Rollator drei Stufen hochhieven. Beobachtet wurde ich von mindestens zwei Dutzend Jugendlicher, die auf dem Bürgersteig warteten – geholfen hat mir niemand…

… Das Einchecken verlief quälend langsam. Als ich endlich meine Schlüsselkarte in der Hand hielt, war es kurz vor Vier. Zwischen Lobby und den beiden uralten und engen Fahrstühlen musste ich noch einmal vier Stufen überwinden. Auch dabei sahen etliche junge Menschen zu, ohne Hilfe anzubieten. Das ist bei der „Generation Future“ vermutlich nicht „in“…

… Ich warf nur meinen Rucksack ins winzig kleine Zimmer, erfrischte mich kurz und machte mich dann auf den Weg zur nahen Speicherstadt und zum Miniatur Wunderland, dessen Besichtigung ich eigentlich für den Donnerstag vorgesehen hatte – zum Glück hatte die größte Modelleisenbahn der Welt, deren Besuch mit ein Hauptgrund für die Hamburgreise gewesen war, bis ein Uhr nachts geöffnet. Am Mittwoch hätte ich mit Rose die Hafenrundfahrt gemacht, anschließend gemütlich eine Runde mit der U 3 durch Hamburg gedreht, und danach wäre ich lecker essen gegangen, Labskaus und als Dessert ein Verschleiertes Bauernmädchen in der viel gerühmten Oberhafen Kantine. Konnte ich jetzt alles in die Tonne treten. Sänk you, Doitsche Bahn…

… Als ich die Deichtorhallen passiert hatte und die Speicherstadt vor mir lag, fiel alles Ungemach von mir ab. Allein für diesen Anblick hatte sich die Mühsal gelohnt…

… Mein Quartier, das A&O Hostel Hamburg Hbf. Fast nur Jungvolk, viele Schülergruppen, nicht behindertengerecht, winzig kleines Zimmer, das Beste am Frühstück ist die Pancake-Maschine – aber das Bett war ein Traum! Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in einem Hotelbett so gut geschlafen zu haben…

… Habt einen schönen und unbeschwerten Sonntag, ihr Lieben! Bleibt bzw. werdet gesund…


30 Antworten zu “Sänk yu for trävelling wis se Deutsche Bahn…”

  1. …. ja, liebe Margot, bei deinem Hamburg-Trip hat die DB kläglich versagt, kein Wunder, dass sie so in der Kritik steht. An ihrem Image muss gewaltig gearbeitet werden, aber es scheint so, dass sie daran sehr wenig Interesse hat.
    Aber ich habe mich doch sehr gefreut, dass wir uns nach so vielen Jahren der Bloggerei kennen gelernt haben. Für heute einen schönen Sonntag und sonnige Grüße

    • Ich habe mich auch sehr gefreut, liebe Rose! 🙂
      Es wundert mich stets, dass sich die DB nicht schon längst ein Beispiel an der Schweiz nimmt. Dort ist der Bahnverkehr dermaßen gut organisiert und getaktet, dass es so gut wie keine Verspätungen gibt… Bei solchen Zu- und Umständen braucht man sich nicht zu wundern, wenn weiterhin die meisten Reisenden auf das Auto bzw. das Flugzeug setzen, um von A nach B zu kommen…
      Ich grüße dich herzlich zurück, und wünsche dir auch einen schönen Sonntag!

  2. Du rüttelt an meinen positiven Vorurteilen über deutsche Pünktlichkeit. Dafür imponiert mir dein Reisen mit Rollator. Ich hoffe wir lernen uns in Wien kennen!

  3. Oh, was eine Bahn-Torture. Tut mir leid für dich. Hoffe aber du hattest trotzdem einen schönen Aufenthalt und freue mich schon auf weitere Berichte aus Hamburg.
    Liebe Grüße und dir noch einen schönen Sonntag,
    Roland

    • Ja, die Fahrt nach Hamburg war schon heftig. Die Rückfahrt nach München verlief übrigens völlig reibungslos…
      Ich habe es bedauert, nur eine Übernachtung gebucht zu haben, ich fand Hamburg dann so interessant, dass ich gerne länger geblieben wäre…
      Danke schön! Ich grüße dich herzlich zurück!

  4. Auf eines kann man sich bei der Bahn halt verlassen. Egal aus welch langweiligen Zwecke man sie nutzt, es wird immer ein Abenteuer Urlaub. Aber gut, dass du trotzdem eine schöne Zeit hattest.

  5. Das ist ja fatal, mit der Bahn zu fahren. Hab ich schon sehr lange nicht mehr getan.
    Zum Glück sind wir mit dem Auto unterwegs, da klappt das bestens.
    Ein Trostpflaster ist es aber, dass du in dem Bett sehr gut schlafen konntest, denn nicht alle Hotelbetten sind bequem.
    LG Mathilda ❤️

    • Bahn fahren ist immer eine Art Vabanque-Spiel. Mittlerweile könnte ich ein ganzes Buch über meine Erlebnisse mit der Deutschen BAhn schreiben…
      Ich war sehr überrascht, in so einem Hostel ein dermaßen gutes Bett vorzufinden. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. 😀
      Liebe Grüße!

      • Ich habe schon in einigen Beiträgen so Ereignisse über die Deutsche Bahn gelesen und mit dem Kopf geschüttelt. Die können sich anscheinend so etwas leisten? Unverständlich 🙄

        • Schau dir doch mal an, welch unfähige Gestalten wir die letzten Jahrzehnte als Verkehrsminister hatten. DopeRindt, Audi (Be)Scheuer(t) etc. hatten sich doch stets nur auf das Fördern der Autoindustrie konzentriert. Und die DB wurde Mitte der Neunziger Aktiengesellschaft und hat deutschlandweit immer noch so etwas wie eine Monopolstellung, auch wenn immer mehr private Bahnunternehmen entstehen. Da liegen die vielen Hunde bei der DB begraben.

  6. Ist die Verschleierte nicht dieses Zeug mit den Haferflocken? *örks… 😆
    Hast denn deinen Labskaus bekommen und wenn ja, wie war er?

    • Nein, ich habe kein Labskaus bekommen. Weil ich aufgrund des Schlamassels mit der Deutschen Bahn meine ganze Planung umstellen musste, und deshalb keine Zeit mehr hatte, gemütlich und schön Essen zu gehen. Wenn du auf die beiden Wörter Verschleiertes Bauernmädchen klickst, dann kommst du direkt auf die Beschreibung des Rezepts.

        • Ich möchte im Herbst noch einmal nach Hamburg. Da wird wahrscheinlich im Miniatur Wunderland der nächste Südamerika-Teil für die Öffentlichkeit freigegeben. Und die USA sowie Deutschland möchte ich mir dort auch noch mal genauer anschauen. Am Mittwoch Abend war ich nach gut fünf Stunden Besichtigung so fertig, dass ich nichts mehr aufnehmen konnte, und etliche feine Details übersehen habe.
          Labskaus habe ich schon mal gegessen. Das hat ein junger Koch aus Hamburg mal für uns Angestellte in einem Hotel als Personalessen gekocht. Mir hat das gut geschmeckt.

  7. Ach ja, die Bundesbahn. Davon kann ich auch immer noch ein Lied singen. Mary und meine amerikanischen Freunde haben auf ihren Besuchen in Deutschland aber ein ganz anderes Bild bekommen, denn da waren die Zuege puenktlich. Jetzt glauben sie mir nicht mehr, wenn ich Schlechtes uber die DB erzaehle. 😉

  8. Hamburg ist eine tolle Stadt und da ist es schade, dass deine kurze Zeit durch die Bahn noch mehr verkürzt wurde. Das Miniatur-Wunderland besuchen wir auch gerne und sind jedes Mal so begeistert. Hoffentlich hast du im Herbst für Hamburg mehr Zeit
    LG Andrea

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