Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

ABC-Etüden – Schreibwoche 46.47.21…

… Die drei für diese Woche vorgeschlagenen Worte – Museum, biografisch, erinnern – haben mich so angesprochen, dass ich nun zum ersten Mal an Christianes ABC-Etüden teilnehmen werde. Es geht darum, die vorgegebenen Wortspenden in einem kurzen Text von maximal 300 Worten unterzubringen…

… Hier ist mein Versuch… 😉

Man schrieb den 8. November 1918. Es war später Nachmittag, grau, neblig trüb. In Begleitung eines hageren, jungen Mannes schritt ein älterer Herr gemessen durch den Englischen Garten in München. Er hatte einen dichten, silberweißen Bart und trug eine schmale Brille, sein Haupt krönte ein dunkler Hut mit weiter Krempe, die füllige Gestalt wurde von einem mit Pelz verbrämten Lodenmantel umhüllt.

Ein gebeugter Kahlköpfiger passierte die Beiden in Gedanken versunken, schrak dann jedoch zusammen, kehrte rasch um und zupfte den Alten mit fliegenden Fingern am Ärmel.

„Majestät! Was machen’S denn noch hier!“

Der Angesprochene zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe.

„Guter Mann, was soll das?“

„Ja, haben Sie’s denn noch ned g’hört? Sie sind entmachtet! Kurt Eisner ist zum ersten Präsident der Republik Bayern ernannt worden! Sie sind abgesetzt worden, es gibt hier keine Monarchie mehr! – Sie sollten sich in Sicherheit bringen, bevor man Ihnen und Ihrer Familie den Garaus macht!“

Als der alte Mann – Ludwig III., König von Bayern – nur wenig später zurück in die Münchner Residenz geeilt war, hatte bereits ein Großteil der Dienerschaft und des Hofstaats das riesige Stadtschloss verlassen, vor dem sich in Scharen Demonstrant:Innen versammelten. Die Minister der Bayerischen Regierung drängten den Monarchen zur Flucht.

Die letzten Getreuen gingen hastig daran, Koffer zu packen. Spätabends verließen einige Mietautos mit dem letzten König Bayerns, seiner schwerkranken Frau, drei Töchtern und dem Erbprinzen München.

Prinzessin Wiltrud blickte zurück auf die dunkle Fassade der Residenz.

„Man wird wohl nun ein Museum aus unserem schönen Schloss machen.“, murmelte sie.

Über Schloss Wildenwart am Chiemsee und Ramsau im Berchtesgadener Land ging die Flucht der Wittelsbacher Herrscherfamilie nach Anif bei Salzburg. Prinzessin Wiltrud schrieb diese Odyssee detailliert in ihren biografischen Aufzeichnungen nieder. „Ich will unsere Nachkommen damit an jene dramatische und tragische Zeit des Umbruchs erinnern.“…


18 Antworten zu “ABC-Etüden – Schreibwoche 46.47.21…”

  1. Hey, wow, du hast es gewagt, wie schön! 🙂 Eine historische Etüde, gefällt mir sehr gut – was für ein gelungener Einstieg!
    Na dann, herzlich willkommen bei den Etüden-Verrückten! Es ist leider der letzte Durchgang für dieses Jahr, aber das muss ja nicht heißen, dass du bis Ende nächster Woche nicht noch eine oder zwei Etüden schreiben könntest 😉 Neee, im Ernst, ich finde es toll. Ich schreibe das zwar immer, aber ich meine es auch immer so: Komm bei uns vorbei, viele kennst du ja vielleicht schon, setz dich ans Etüden-Lagerfeuer, wir freuen uns immer über neue Gesichter, die wenigsten beißen und viele wollen auch nur spielen … (ich hoffe, du hast keine Hundephobie). 😀
    Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß bei und mit den Etüden!
    Nachmittagskaffeegrüße 😁☁️🍁☕🍪🍂👍

  2. So schön, so unterhaltsam und nebenbei habe ich noch was gelernt! Du kannst schreiben, das ist ein großes Talent – eines von deinen vielen!

  3. Mir gefällt sie auch sehr gut ! In so einem kurzen Text Historisches und einen Perspektivenwechsel in der Erzählung unterzubringen – Hut ab !

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