Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Im Nordosten unterwegs (4)…

… IM WALDVENEDIG (2)…

… Unser Kahn näherte sich Lehde, dem malerischen Spreewalddorf und Freilichtmuseum. Bevor wir anlegten, machte uns Oskar auf den Giebelschmuck an einigen rietgedeckten Häusern aufmerksam, der zwei gekreuzte Schlangen darstellt. Sie symbolisieren eine Sagengestalt der Region, den Schlangenkönig, der die Bewohner:Innen schützen soll. Es gibt viele Legenden, die sich um ihn ranken. Die bekannteste erzählt von einem Grafen, der die Krone des Schlangenkönigs stahl, als jener mit anderen Reptilien spielte. Obwohl die Schlangen den Dieb in großer Zahl verfolgten, entkam er durch einen beherzten Sprung über eine hohe Mauer, lebte fortan in Reichtum, und wählte die Schlange zu seinem Wappentier…

… Eine andere Sage rät jungvermählten Paaren, sich an dem Platz ihr Haus zu bauen, an welchem sich eine Ringelnatter gesonnt hat. Das würde ihnen fortwährendes Glück bescheren…

… Unser Spreewald-Gondoliere machte den Kahn am Ufer nahe eines Gasthauses namens Oppott fest, und erzählte, wir hätten jetzt eine Stunde Pause, uns umzusehen und etwas zu essen. Wir sollten allerdings von einem Besuch des Freilandmuseums absehen, denn das läge zwei beschwerlich zu erklimmende Holzbrücken entfernt, und es würde nicht viel Zeit zur Besichtigung bleiben. Sturkopf, der ich nun mal bin, machte ich mich trotzdem auf den Weg zum Museum, so schnell mich meine Füße trugen…

… Mit seinen grade mal vier Höfen ist das Freilandmuseum sehr überschaubar. Mittels alter Gerätschaften und Einrichtungen aus dem 19. Jahrhundert will man die Besucher:Innen in längst vergangene Zeiten zurückführen. Man kann auf alte und anstrengende Weise Wäsche waschen, einen Kahn bauen, lernen, wie früher die Spreewaldhöfe errichtet wurden, eine Runde in laut klackernden Holzschuhen drehen, den Arbeitern einer Meerrettich-Reiberei über die Schultern sehen, natürlich Gurken und andere Feldfrüchte bearbeiten und einwecken, den Alltag einer Imkerin kennenlernen, und noch vieles mehr. Leider trug keine der sehr geduldigen und liebenswürdigen Museums-Angestellten eine sorbische Tracht, aber Oskar hatte uns zuvor schon darauf hingewiesen, dass diese nur mehr an Sonn- und Feiertagen angelegt wird, um die teuren Kostüme zu schonen…

… Bei all den grad erwähnten bäuerlichen Tätigkeiten sollte man sich allerdings davor hüten, das Missfallen der Mittagsfrau zu wecken, einer weiteren sorbischen Sagengestalt. 😉 Denn sie trägt in ihrer Rechten eine scharfe Sense, und die ertappte Person muss eine Stunde lang Geschichten über Flachs, seinen Anbau und Bearbeitung erzählen! Wem das gelingt, der wird von der Mittagsfrau verschont. Wer die Aufgabe nicht gut meistert, der wird gnadenlos mit dem Hitzschlag bestraft…

… Wenn man aber Glück hat, dann greifen einem beim Werkeln die Lutki hilfreich unter die Arme. Sie sind so klein wie Zwergerl, und wohnen unter der Erde, da ihre Ohren keinen Lärm vertragen, schon gar nicht das Getöse von Kirchturmglocken. Man muss allerdings mit ihren sprachlichen Eigenheiten vertraut sein, um sich mit ihnen verständigen zu können. Denn wenn die Lutki verneinen, dann meinen sie das Gegenteil, und umgekehrt. 😉 Kommt man mit ihnen gut aus, dann kann es schon mal sein, dass sie über Nacht das Haus blitzblank säubern und die Wäsche waschen…

… In diesen hölzernen Behältnissen werden die gefangenen Fische bis zum Töten und Ausnehmen aufbewahrt…

… In der Guten Stube im Kilko-Hof…

… In einigen Spreewald-Orten gibt es noch eine Besonderheit: Man kann in ehemaligen Gurkenfässern übernachten. Wem von meiner Generation kommt da nicht unwillkürlich die Schlummertonne des Hausschweins Wutz aus der Serie „Urmel aus dem Eis“ in den Sinn? 😉 Und vielleicht lässt sich ja zur Nacht der kleine Spreewalder Glücksdrache Plon auf dem Fassdach nieder. Wenn man ihn gut mit Keksen oder Hirsebrei füttert, dann beschert er einem Reichtum und Zufriedenheit…

… Sollte man vor dem Zubettgehen in der Dubkow-Mühle, einer Spreewald-Wirtschaft, einen oder auch mehrere über den Durst getrunken haben, dann kann man sich von einem gigantischen Ochsenfrosch nach Hause bringen lassen. Dieser lebt normalerweise im Keller des Lokals und ist sechs Zentner schwer. Bei seinen Lotsendiensten hüpft er vorneweg und weist mit mächtiger Stimme quakend den Angeheiterten den Weg ins Quartier. Zur Zeit soll sich der Ochsenfrosch allerdings nicht in der Dubkow-Mühle aufhalten, da er sich angeblich bei einigen zu großen Sprüngen verletzt habe, und zur medizinischen Behandlung nach Texas geschickt worden ist… 😉

… Als ich nach meiner Runde durch das Freilandmuseum Lehde den zweiten Zugang passiert hatte, staunte ich nicht schlecht – ich stand mitten im Wirtsgarten des Oppott! Da hatte uns der Oskar mit seiner Erzählung, das Museum sei nur durch einen langen Weg über zwei Brücken zu erreichen, schon einen schönen Bären aufgebunden! Vermutlich wollte er nicht, dass wir schnurstracks in das historische Dörfchen sausen, ohne die Runde durch die Souvenirläden, Cafés und Marktstände Lehdes zu machen…

… Wir glitten noch ein Weilchen das Hauptfließ entlang. Ab und an öffnete sich das dichte Waldgebiet und gab den Blick auf sonnenüberflutete Wiesen frei…

… Nur kurz, nachdem wir vor dem Großen Hafen die Schleuse passiert hatten, fand unsere kleine Reise durch das bezaubernde Waldvenedig leider ein Ende. Am liebsten wäre ich bei der nächsten Tour, die Oskar, der nach einer kurzen Pause bewundernswerterweise noch genauso frisch und agil wirkte wie am Vormittag, mit einer sehnsüchtig am Kai wartenden kleinen Touristengruppe startete, noch einmal mitgefahren…

… Habt einen schönen Sonntag, ihr Lieben!…


25 Antworten zu “Im Nordosten unterwegs (4)…”

  1. Was für eine bezaubernde Reise du da hattest. Ich glaube der Spreewald wäre auch etwas für mich. Irgendwann einmal. Danke jedenfalls fürs Appetit machen.

  2. Dieser Beitrag mit den wunderschoenen Fotos und der hochinteressanten Hintegrundinformation hat mir ausgezeichnet gefallen: danke!
    Hab‘ einen feinen Sonntagnachmittag und -abend,
    Pit

  3. Ist das wieder herrlich mit den tollen Bildern und auch wieder so interessant zu lesen, liebe Martha!
    Ist schon toll wie viele Geschichten es um den Spreewald gibt, was man sich bei den Bildern, vor allem auch im Freilandmuseum gut vorstellen kann!
    Freunde von uns fahren morgen in den Spreewald um dort hoffentlich auch so einen tollen und interessanten Urlaub zu verbringen!
    Liebe Grüße und hab noch einen schönen Resttag 🍀🌺

    • Vielen Dank, liebe Hanne!
      Der Spreewald ist geradezu prädestiniert für Sagen und Legenden aller Art. Da ich so etwas sehr liebe, habe ich im WWW bereits ein Büchlein mit all diesen Geschichten aufgetan, das ich mir wohl bestellen werde.
      Ich wünsche euren Freunden eine gute Reise, und einen schönen Aufenthalt im Waldvenedig!
      Ich danke dir, und grüße dich herzlich zurück!

  4. Wunderschöne Fotos hast du gemacht und den Spreewald so gut dargestellt. Ich freue mich sehr, dass dir die Reise gefallen hat und dass du überhaupt da warst.
    Liebe Grüße an dich und danke für den feinen Bericht.

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