… Neulich verfolgte ich bei einem kleinen Rundgang durchs Viertel mit meinem Schwarzroten Blitz (Rollator 😉 ) folgende kleine Szene: Radfahrer:Innen hatten ihre Drahtesel nahe der Schankfläche eines Speiselokals auf einem Behindertenparkplatz abgestellt. Jemand hatte die Polizei gerufen. Zwei Beamte machten die Radlfahrer unter den Gästen ausfindig und baten sie nach einer kurzen Belehrung darum, die Räder woanders abzustellen. Der Unmut der meisten, die dies mitverfolgten, richtete sich in Folge lautstark gegen jene Person, welche die Polizei kontaktiert hatte, und nicht gegen jene, welche durch ihre Gedankenlosigkeit einen Behindertenparkplatz blockiert hatten. Das hat mich erschreckt, und sehr nachdenklich gemacht. Für mich hatte diese Szene irgendwie Symbolcharakter…
… Hier im Viertel scheint es mittlerweile der Brauch zu sein, als Lokal- oder Ladenbesitzer:In große Werbetafeln für das eigene Etablissement in voller Breite mitten auf die Fußgängerwege zu stellen. Dass diese Tafeln für körperlich Gebrechliche mit Rollatoren oder in Rollstühlen häufig schwierig zu passieren sind, ohne irgendwo anzuecken, oder gar auf die viel befahrenen Straßen ausweichen zu müssen, scheint niemandem bewusst zu sein…
… Nach einer nunmehr schon geraumen Weile als Nutzerin eines Rollators kann ich mich auch folgender Eindrücke nicht erwehren: Bürgersteige und Fußgängerüberwege MÜSSEN !!! eine Kante haben! UNBEDINGT! Und wenn diese Kante auch nur wenige Zentimeter hoch ist – eine Kante MUSS da sein! Ein Bürgersteig bzw. Fußgängerüberweg ohne Kante ist EIN ABSOLUTES NO-GO!!! – Ich nutze da dann übrigens stets den Fahrradweg, falls vorhanden, und möglich. Denn Fahrradwege kann man anscheinend problemlos ohne Kante bauen. Unabdingbar scheint es hierzulande auch zu sein, dass Aus- und Einfahrten von Tiefgaragen und Hinterhöfen mit ruckeligem Kopfsteinpflaster versehen sein müssen. Leute, das geht ordentlich in die Arme, Schultern und den Rücken, wenn man als Rollator-Pilotin auf seinem Weg mindestens ein Dutzend mit Kopfsteinen gepflasterte Einfahrten passieren muss. Wenigstens kann man in Einfahrten gut ausweichen, wenn einem mal wieder eines jener Liebespaare entgegenkommt, die sich davor zu ängstigen scheinen, die Beziehung könnte zerbrechen, wenn man mal für ganz kurze Zeit die Hand der Person seines Herzens loslässt, um hintereinander zu gehen, und nicht die komplette Breite des Bürgersteigs zu blockieren. Oder der Gehweg mit ungezählten Rädern sowie kreuz und quer stehenden bzw. achtlos hingeworfenen Leih-E-Rollern verstellt ist…
… Wir können Leute auf den Mond schießen, und sogar Fahrzeuge auf den fernen Mars – aber bis jetzt ist es uns – zumindest hierzulande – noch nicht gelungen, öffentliche Verkehrsmittel zu schaffen, in die man als schwerbehinderter Fahrgast problemlos ein- und aussteigen kann – von einigen Regionalzügen der DB einmal abgesehen. Als gehbehinderte Person in einen Zug des Privatunternehmens ALEX einzusteigen, ist mit Gehstöcken oder Rollator ein ausgesprochen unangenehmes Unterfangen. Hilfe erfährt man vom Zugpersonal nur dann, wenn man sich mindestens 24 Stunden zuvor telefonisch anmeldet. Bei der BRB graust es mir bei jedem Ein- und Ausstieg vor dem breit klaffenden Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug, und dem großen Niveau-Unterschied. An manchen Bahnhöfen sind die Aufzüge für Behinderte am sehr weit entfernten Ende der schier endlos langen Bahnsteige angebracht – das kostet verdammt viel dringend benötigte Energien und Zeit, sich dorthin zu begeben! Wenn man sie denn findet, denn oft fehlen die Hinweisschilder zu den Liften. – Hier in München, das ja angeblich die Stadt mit Herz ist, bringt man es seit zig Jahren schon nicht zuwege, durchgehend behindertengerechte Haltestellen zu konstruieren. Für allen möglichen Sch*** wie z. B. die Anschaffung sogenannter “Kunstwerke” im öffentlichen Raum, die beim Hinsehen ob ihrer Hässlichkeit und Unförmigkeit Augenkrebs verursachen, ist scheinbar grenzenlos Geld vorhanden. Für eine umfassende behindertengerechte Gestaltung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht. – Die meisten Busse und Trambahnen haben zwar ausfahrbare Rampen für Rollstuhlfahrer:Innen, und man kann sie so weit absenken, dass ein relativ unkompliziertes Zusteigen auch von der Bordsteinkante aus möglich wäre, aber leider gebärden sich viele Bus-Chauffeure und -Chauffeusen so, als würde es Geld kosten oder fürchterlich weh tun, den entsprechenden Knopf in ihrem Cockpit zu betätigen, damit ihr Gefährt “in die Knie gehen kann”.
… Hier im Lande tut man sich – so mein Eindruck – nach wie vor ziemlich schwer mit der Akzeptanz von und der gebotenen Rücksichtnahme auf Schwerbehinderte. Was gelinde gesagt meiner Meinung nach ausgesprochen dumm und kurzsichtig ist. Denn die Zahl der alten und damit auch gebrechlichen Menschen nimmt unweigerlich stark zu. Bereits in zehn Jahren wird lt. Statistischem Bundesamt ein Fünftel unserer Bevölkerung über Fünfundsechzig sein! Sollte es da nicht mit an oberster Stelle stehen, jenen, die – aus welchen Gründen auch immer – in ihrer Beweglichkeit massiv eingeschränkt sind, das Leben so weit als möglich zu erleichtern? – Und eines sollten sich die Vertreter:Innen aller Parteien ganz groß an ihre Spiegel schreiben: Auch behinderte Menschen sind Wähler:Innen!…