Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

„Abenteuerreisen“ mit der Deutschen Bahn…

… An sich hatte ich für Donnerstag Nachmittag eine Wanderung nahe Uffing am Staffelsee geplant. Tags zuvor befragte ich noch die DB-Fahrplanauskunft nach einer Busverbindung vom kleinen Bahnhof Uffing, der etwas außerhalb liegt, bis zum Rathaus. Denn damit würde ich mir gut eineinhalb Kilometer Wegstrecke sparen. Man teilte mir mit, dass knappe zehn Minuten nach Ankunft des Regionalexpress Richtung Mittenwald der Bus der DB-Linie 9601 gen Uffing fahren würde. Das ist ja wunderbar!, dachte ich frohgemut…

… Der Zug hielt am Donnerstag kurz vor halb Eins pünktlich, ich stieg aus und trottete zur Bushaltestelle. Dort war ein Zettel angebracht, dass vom 02.09. bis zum 04.09.2020 die DB-Linie 9601 die Haltestellen in Uffing wegen Straßenarbeiten nicht bedienen wird. Ich war ein bisschen angefressen, beschloss aber, das Beste aus der Situation zu machen, und den vorgesehenen Rundweg etwas zu verkürzen. Ich verbrachte einen schönen und kurzweiligen Nachmittag – Bericht und Bilder folgen demnächst…

… Gegen Zwanzig nach Vier war ich wieder zurück am Uffinger Bahnhof. Dieser besteht aus zwei ca. 200 Meter langen Bahnsteigen – Gleis 1 und Gleis 2. Die Züge Richtung München halten stets am nördlichen (oberen) Ende. Es gibt nur einen Übergang, und zwar nahe der Straße am südlichen (unteren) Ende…

… Am südlichen Ende des Bahnsteigs Gleis 2 befindet sich eine Info-Tafel mit den Fahrplänen. Laut diesen würde der nächste Zug nach München Hbf auf Gleis 2 um 16:36 Uhr abfahren. Die digitale Zuganzeige liegt weit entfernt, im oberen Drittel des Bahnsteigs. Ich marschierte dort hin, denn ich wollte ohnehin im Zug ganz vorne sitzen. Auf der Anzeigentafel war zu lesen: „RB Nr. …. Richtung München Hbf, Abfahrt 16:36 Uhr auf Gleis 2.“ Mit mir warteten ca. 10 Passagiere auf die Regionalbahn…

… Die Schranken am Bahnübergang schlossen sich, wenig später brauste der Zug heran – und hielt auf Gleis 1! Auf der Anzeigentafel war immer noch zu lesen: „RB Nr. … Richtung München Hbf, Abfahrt 16:36 Uhr auf Gleis 2.“ Ich war fassungslos, so wie die Anderen auch. Die Jüngeren nahmen die Beine in die Hand und sprinteten die ca. 200 Meter nach Süden, passierten den Übergang, und rasten ca. 200 Meter nach Norden, um zum Zug zu gelangen. Eine Gruppe älterer Damen ließ sich ins Gleisbett hinab, überquerte dieses und kletterte an der gegenüber liegenden Seite wieder hoch – lebensgefährlich und strengstens verboten!…

… Weder Rennen noch durchs Gleisbett marschieren kam für mich in Frage. So schnell mich meine schwachen Beine nach gut vier Kilometern Wanderung noch trugen, versuchte ich, die ca. 200 Meter nach Süden zum Übergang zu marschieren. Ich machte mir keine Hoffnung, dass der Zug warten würde, wollte aber zumindest versuchen, ihn zu erreichen…

… Ich war grad am Übergang angelangt, da fuhr der RB Nr. … Richtung München Hbf ab. Ich schäumte vor Wut. Na, danke auch! Eine Stunde Warten auf den nächsten Zug, von dem man nicht wusste, auf welchem Gleis er einfahren würde! Einige sehr freundliche und besorgte Uffinger, die das ärgerliche und auch groteske Geschehen mitbekommen hatten, kümmerten sich um mich. Sie teilten mir mit, dass es seit Monaten immer wieder vorkommen würde, dass Züge zum Ärger der Passagiere auf dem falschen Gleis halten würden, und setzten sich mittels ihrer Handies mit der Deutschen Bahn in Verbindung. Welches Wirrwarr an Informationen ihnen da geboten wurde, spottete jeglicher Beschreibung…

  • Bis zum 30.09. fahren sämtliche Züge von Gleis 2 ab. – Häh?
  • Ab 15:00 Uhr des 03.09. fahren alle Züge wie üblich von Gleis 1. Aha. Warum steht dann im Fahrplan etwas völlig Anderes? Und warum hielt der Zug um 16:23 Richtung Garmisch dann auf Gleis 2?
  • Bis zum 02.09. fahren sämtliche Züge von Gleis 2. Ab dem 03.09. 0 Uhr halten alle RBs wieder auf Gleis 1. Ähem – Null Uhr lag mittlerweile schon gut 17 Stunden zurück.
  • Der Zug Richtung München um 17:36 Uhr hält auf Gleis 2.
  • Nur Minuten später: Der Zug Richtung München um 17:36 hält auf Gleis 1.

… Ein sehr agiler Mann mittleren Alters, der sich nebst einem vornehmen Greis meiner angenommen hatte, entpuppte sich als Hausmeister des Uffinger Bahnhofgebäudes. Im Laufe des Gesprächs und des Durcheinanders sich widersprechenden DB-Informationen erzählte ich ihm, dass ich mich schon einige Male über die Deutsche Bahn beschwert, aber nie eine Antwort, geschweige denn eine Entschuldigung bekommen hätte. Er nickte, die Stirn in zornige Falten gelegt. „Das glaube ich Ihnen gerne. Das hilft auch nichts, wenn Sie sich per Mail oder über die sozialen Netzwerke beschweren. Versuchen Sie’s mal über die DB 3-S Zentrale. Warten Sie, ich schreib‘ Ihnen die Telefonnummer auf.“…

… Danach setzte er sich mit der offenbar zuständigen Fahrdienstleitung in Garmisch-Partenkirchen in Verbindung, in recht schroffem und ungehaltenem Tonfall. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, nickte er zufrieden: „Ab sofort halten alle Züge wieder auf Gleis 1. Der Fahrdienstleiter hat mir grade Stein und Bein darauf geschworen.“ Er begleitete mich noch zum kleinen, schmucken Bahnhofsgebäude, und gab mir zum Abschied den Rat: „Warten Sie jetzt aber vorsichtshalber dort am Aufsteller mit der Wanderkarte, da ist normalerweise immer das Zugende. Sollte die Regionalbahn Richtung München wirklich wieder auf dem falschen Gleis halten, dann haben Sie zumindest eine kleine Chance, schnell genug auf den anderen Bahnsteig zu gelangen. – Ansonsten müssen Sie noch einmal ein Stünderl warten, oder sich in Uffing ein Zimmer suchen, und morgen aufs Neue Ihr Glück versuchen, nach Hause zu gelangen.“ Er zwinkerte mir zu. Mein Lächeln fiel leider ziemlich schief aus…

… Die Anzeigetafel zeigte inzwischen an, dass sämtliche Züge auf Gleis 1 halten würden. Ein mit mir wartender Fahrgast zeigte mir die DB-Fahrplanauskunft im Internet. Da stand jetzt wieder zu lesen, dass der Zug um 17:36 Richtung München Hbf von Gleis 2 abfahren würde. Am Bahnübergang schlossen sich die Schranken. Ich umklammerte fest meine Wanderstöcke, holte tief Luft und machte mich bereit zum 300-Meter-„Sprint“ auf den gegenüber liegenden Bahnsteig. Dann kam die Bahn. Sie fuhr auf Gleis 1 ein. Sekundenlang wurde mir schwindelig vor Erleichterung…


17 Antworten zu “„Abenteuerreisen“ mit der Deutschen Bahn…”

  1. Was für ein Abenteuer! Diese mangelnden Informationen gibt es aber auch an einem so großen Bahnhof wie in Hamburg! Es passiert hier nicht ganz selten, dass man erst ca. 1 Minute vor Einfahrt erfährt, dass der erwartete Zug auf einem anderen Gleis einfährt! Besonders schwierig wird das, wenn man als Mitarbeiter der Bahnhofsmission einem Blinden oder gehbehindertem Menschen dasteht. Dann heisst es, sich diesen Menschen „untern Arm zu klemmen“ und mit ihm treppauf treppab zum richtigen Gleis zu gallopieren. Ich frage mich immer, wie solchemangelnde und ungenügenügende Informationen heute noch möglich sind. Ob die bei der Bahn immer noch trommeln?

    • Auf dieses Abenteuer hätte ich nur zu gerne verzichtet, liebe Ulrike!
      Als Schwerbehinderter ist man bei so etwas völlig fassungslos… Der Zug hat ja auch nicht gewartet, als ich etwa die Hälfte der Strecke zurück gelegt hatte, fuhr er ab.
      Und dann noch so viele einander völlig widersprechende Zuginformationen! Da weiss bei der DB mit Sicherheit die linke Hand nicht, was die rechte tut.

  2. für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, ist sowas noch mal ärgerlicher als es das auch so schon ist. Aber die Bahn und ihre Pleiten, Pech und Pannen.. früher haben die ganze Fernsehsendungen damit gefüllt, auf Augenhöhe mit DHL 🙂

  3. Oh Gott, das ist ja mal wieder so ein Abenteuer, das wirklich niemand braucht. Ohne eigene Schuld den Zug vor der Nase wegfahren zu sehen, ist echt frustrierend. Ich bin froh, dass Du dann noch gut nach Hause gekommen bist, und hoffe, dass Du solche Abenteuer nicht zu oft zu bestehen hast.

    • Ich war wie vor den Kopf gestoßen, als der Zug aufs Nachbargleis einbog!
      Ja, mit einer halben Stunde Verspätung bin ich dann in München gelandet. Was bei der Werdenfels-Linie ab Mittag Alltag ist, da fährt nie ein Zug pünktlich.
      Ich hoffe auch sehr, dass mir dergleichen in Zukunft erspart bleiben wird – aber bei der Deutschen Bahn ist jegliche Hoffnung vergebens.

    • So was ist schon der Hammer!… An diesem Bahnhof gibt es auch keinerlei DB-Personal mehr. Hätte sich nicht zufällig der Hausmeister des Bahnhofsgebäudes um mich gekümmert, wäre ich sehr dumm dagestanden.

        • Der Bahnhof Uffing scheint für die Deutsche Bahn nicht mehr zu existieren. Das einzige, was noch tadellos funktioniert ist der Fahrkartenautomat – klar, mit dem lässt sich ja auch Kohle machen. Die beiden digitalen Zuganzeigen sind nur dann einsehbar, wenn man sich ganz im Norden der Bahnsteige befindet. Von den insgesamt sechs Lautsprechern funktioniert nur mehr ein einziger. Und von den zehn Bogenlampen an den Bahnsteigen gibt auch nur mehr eine einzige Licht. Der Hausmeister vom Bahnhofsgebäude, der mir das alles erzählt hat, redet sich seit Monaten schon den Mund fusselig, reagiert hat die DB auf diese Missstände bis dato nicht. Ich habe grad mit einer Dame von der DB 3-S-Zentrale gesprochen. Dass dort die Züge mal auf Gleis 1 und mal auf Gleis 2 halten, entgegen der Fahrpläne, scheint dort auch niemanden zu interessieren. Ja mei, das ist seit langem schon so, niemand weiß warum, niemand scheint aber willens, der Sache mal auf den Grund zu gehen.

  4. Ja, das sind die Dinge, die mich abhalten überhaupt Bahn zu fahren 🙂
    Einmal im Jahr nach München zum Christkindlmarkt… das fällt dieses Jahr nun auch aus.
    Wäre Roja nicht zu Besuch gewesen, wäre ich dieses Jahr gar nicht gefahren 🙂

    • Ich bin ja nun dank meines „Luxustickets“ – so hat ein naßforscher DB-Schaffner meine Schwerbehinderten-Freifahrtmarke genannt – viel mit der Bahn unterwegs. Mittlerweile könnte ich ein Buch über meine Erlebnisse mit diesem Verein schreiben…

      • Dieses Luxusticket würde ich wohl nicht bekommen. Ich habe keine Buchstaben auf meinem Ausweis.
        Ich denke davon hängt es ab und nicht vom Ausweis alleine.

        • Zuerst habe ich mich über diesen nassforschen Jüngling geärgert, das war schon unverschämt. Aber mittlerweile hat sich die Bezeichnung „Luxusticket“ bei mir und einem ebenfalls schwerbehinderten Freund eingebürgert.
          Das erste „Luxusticket“ habe ich 2018 bekommen, da hatte ich 50 % Schwerbehinderung plus den Buchstaben „G“. Mittlerweile bin ich auf 70 % plus „G“ plus „B“ hochgestuft worden. Das heisst, dass ich kostenfrei eine Begleitperson mitnehmen kann.

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