… Ich bin zwei- bis dreimal im Monat Gast der Münchner Tafel. Wie es dazu kommen konnte, ist eine unselige Gemengelage aus Eigen- und Fremdverschulden – müßig, nun darüber zu spekulieren und zu jammern und zu klagen, hätte ich dieses oder jenes doch bloß anders gemacht. Es ist nun mal so, wie es ist, also versuche ich, das Beste daraus zu machen, und meine Lage mit Humor zu nehmen. – Von der Erwerbsminderungsrente, die ich aufgrund meines hohen Prozentsatzes an körperlicher Schwerbehinderung Anfang 2019 beantragen musste und der Grundsicherung lt. SGB XII kann man anderenorts vermutlich noch ganz passabel leben, aber nicht hier in München, der drittteuersten Stadt Deutschlands. Ein Zuverdienst ist mir nicht gestattet…
… So fragte ich bei der Münchner Tafel nach langem inneren Ringen um einen freien Platz und einen Gastausweis an. Zum Glück war einer der Gäste der nahen Ausgabestelle am idyllischen kleinen Alten Nördlichen Friedhof vor kurzem abgesprungen, und ich konnte an seine Stelle treten…
… Jeder Gast einer Spenden-Verteilstelle hat eine feste Nummer – meine ist die 28 -, jede Woche wird das Aufrufen zum Abholen der Spenden in Zwanzigerschritten mit einer anderen Nummer gestartet. Lohnenswert ist’s für mich, wenn mit 81, 101, 1 und 21 begonnen wird. In den anderen Wochen setze ich aus. Am Alten Nördlichen Friedhof werden die Lebensmittel, die „sozial Schwachen“ für einige Tage das Auskommen erleichtern sollen, stets am Freitag ausgegeben…
… In vielen anderen deutschen Städten haben die Tafeln aufgrund der Corona-Bestimmungen und mangelnder Spenden ihre Tätigkeiten einstellen müssen. In München werden die Gäste noch versorgt, allerdings nur mehr an einer einzigen Ausgabestelle am Westtor der Großmarkthalle. An sechs Wochentagen werden, einem ausgetüftelten Plan folgend, die KundenInnen der insgesamt 28 Tafel-Dependancen versorgt, wenn’s gut läuft im Zwei-Stunden-Rhythmus, von morgens zehn Uhr an bis in den frühen Abend. Der Plan wird wochenweise erstellt, und ist jeden Montag auf der Homepage der Münchner Tafel abrufbar…
… Für Freitag Mittag 13:30 Uhr war vergangene Woche die Ausgabe für Schwabing angesetzt, startend mit der Nummer 21. So pilgerte ich mit meinem Rentnerporsche zur Großmarkthalle – ein paar Stationen mit dem Bus, eine längere Fahrt mit der U-Bahn, dann noch einmal eine kurze Reise per Bus. Gegen Viertel vor Zwei war ich am Westtor angelangt, da standen noch die vor uns eingeplanten ca. 250 Gäste aus Freimann in einer ewig langen Schlange an. Nachdem ich mir einen kurzen Überblick verschafft hatte, fand ich nördlich der Ausgabestelle die ebenfalls recht ansehnliche Reihe der SchwabingerInnen…
… Warum auch immer sich die Spendenausgabe für die Freimanner verzögert hatte – nun hieß es, warten. Und warten. Und warten. Zum Glück hatte ich ein Buch dabei. Immer wieder gingen junge HelferInnen die auseinander gezogene Menge ab, um zu kontrollieren, ob wir den durch farbige Striche auf das Pflaster gekennzeichneten Mindestabstand zum Nächsten einhielten…
… Es war schon nach fünfzehn Uhr, als wir endlich aufgerufen wurden. Man schleuste uns in Zehnergruppen durch das Westtor. An einem Klapptisch saß ein gemütlich-freundlicher, stämmiger Herr, der mit leicht derbem, bayerischem Charme unsere Ausweise kontrollierte…
… Und dann hieß es, im weitläufigen Hof hinter der Großmarkthalle noch einmal warten, warten, warten, bis einem der Zutritt zu der linkerhand an der im Schatten der überdachten Innenmauer sich weit erstreckenden Ausgabestelle mit den diversen Posten für Obst, Gemüse, Brot und andere Backwaren, Milchprodukten etc. gewährt wurde. Vor mir harrten bereits ca. 150 Gäste mehr oder weniger geduldig aus. Im Schneckentempo ging es voran. Auch hier wurde permanent nachgeschaut, ob wir brav die zwei Meter Distanz zueinander einhielten, und die bei der Tafelausgabe seit langem schon vorgeschriebenen Mund-Nasen-Masken trugen. An einem Pavillon auf halber Strecke wurde eine stärkende Brotzeit in die Hand für die Wartenden ausgegeben, Fleischpflanzerln mit Kartoffelsalat und dazu ein Kaltgetränk…
… Meine Beine waren schon ganz ordentlich schwer, als ich an die Reihe kam, aber die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit der HelferInnen ließen mich rasch die Müdigkeit vergessen. Obwohl an diesem Tag bereits schätzungsweise 500 TafelkundenInnen versorgt worden waren, gab es immer noch eine Fülle an Lebensmitteln zu verteilen. Nachdem ich alle Ausgabeposten abgeschritten hatte, war mein Rentnerporsche bis obenhin gefüllt…
… Mittlerweile war es 16:30 Uhr. Und ein wenig graute mir vor der beschwerlichen und doch etwas umständlichen Heimfahrt. Ich brachte meine Fracht heil nach Hause – aber das war eine logistische Herausforderung, die mich viel Geduld, Zähigkeit und vor allem Kraft gekostet hatte. Danach war ich fix und alle. Über liebe, finanziell ausreichend versorgte, körperlich unversehrte Mitmenschen, die sich heulend und mit den Zähnen klappernd aufregen, wenn sie zur Zeit im Supermarkt mal ein Viertelstünderl länger als gewohnt warten und anstehen müssen, kann ich nur milde lächeln… 😉
… Habt einen guten Tag, und bleibt gesund!…