Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Auf die Deutsche Bahn…

… trifft im negativen Sinne kaum ein Sprichwort so zu wie jenes: „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben.“ Diese Erfahrung durfte ich während meiner Touren bereits etliche Male machen, allerdings noch nie so dramatisch wie neulich während meines Ausflugs nach Schwindegg…

… Dass es Schwerbehinderte gibt, scheint sich bei der Südostbayernbahn bis dato noch nicht herumgesprochen zu haben. Der Bahnsteig an der Haltestelle Schwindegg ist dermaßen niedrig, dass sich die letzte Stufe des ganz sicher nicht behindertengerechten Ausstiegs aus dem doppelstöckigen Wagon fast einen halben Meter darüber befand – für meine vom Muskelschwund geschwächten Beine ist so etwas schier unüberwindlich. Während ich noch an dem steilen Ausstieg hing, die metallenen Haltegriffe fest umklammernd, und versuchte, doch noch aus dem Zug zu gelangen, verriegelte der Zugführer die Türen! Ich war eingeklemmt, halb hing ich draußen, halb drinnen, und die Türkanten schnitten mir trotz ihrer Gummi-Lamellen schmerzhaft in den Brustkorb und den Rücken! Mir wurde himmelangstundbang, ich schrie panisch auf, mir brach der Angstschweiß aus – wenn sich der Zug in Bewegung setzen würde, würde ich das keinesfalls unversehrt überstehen!…

… Nach einer gefühlte Ewigkeit hatte man ein Einsehen und öffnete die Türen wieder. Ein Passagier kam mir zu Hilfe und bugsierte mich vorsichtig auf den Bahnsteig. Der Zugführer war indessen ca. dreißig Meter von mir entfernt gestanden und hatte sich völlig ungerührt die Szene angesehen, angeblich dürften Bahnangestellte aus versicherungstechnischen Gründen Passagieren mit einer Behinderung bzw. in Bedrängnis nicht zu Hilfe kommen – ich mag das nicht recht glauben…

… Während meines Rundgangs um das Schwindegger Wasserschloss zitterten mir die Knie, und sobald ich wieder zuhause angelangt war, kontaktierte ich die Deutsche Bahn und schrieb eine saftige Beschwerde…

… Bei der Gelegenheit erwähnte ich auch noch einen weiteren Vorfall, der mir sehr unangenehm in Erinnerung verblieben ist, und den ich eigentlich auch gleich zur Anzeige hätte bringen sollen: Nach meiner Wanderung am Staffelsee Mitte Mai bestieg ich gegen halb sieben Abends den Zug Richtung München. Kaum hatte ich Platz genommen, kam der Zugbegleiter zum Kontrollieren. Als ich ihm meinen Behindertenausweis mit Wertmarke unter die Nase hielt, meinte er süffisant: „Ah, Madame reist mit dem Luxus-Ticket.“ Ich bin selten um Worte verlegen, aber da hat es mir angesichts dieser grenzdebilen, taktlosen und höchst unsensiblen Ansprache die Sprache verschlagen!…

… Kaum ein Zug fährt ohne Verspätung, während der Hauptreisezeit setzt man auf der Strecke München-Salzburg Kurzzüge ein, und ab München Ost stehen in den Wagons die Passagiere dicht an dicht bei schier unerträglicher Hitze, der sogenannte Schienenersatzverkehr entlang der Ewigkeitsbaustelle in Richtung Salzburg besteht aus lediglich einem Bus für Hunderte Reisende, wer keinen Platz findet, muss halt eine Stunde lang warten. Die wichtige und sehr frequentierte Verbindung zwischen München und Innsbruck ist in weiten Teilen immer noch eingleisig, Wagons, Triebwägen und Loks sind mitunter heillos veraltet, Zuggarnituren und Bahnhöfe nicht im Geringsten behindertengerecht, Züge fallen aus, weil es an fachkundigem Personal mangelt – nein, Staat können wir mit der Deutschen Bahn nicht machen, da herrschen teilweise schon Zustände, die eher an ein Entwicklungsland erinnern alss an eines der reichsten Länder der Welt…

… Ob und wie man bei der Deutschen Bahn auf meine schriftliche Beschwerde reagieren wird, werde ich euch nicht vorenthalten, versprochen!…


21 Antworten zu “Auf die Deutsche Bahn…”

  1. Wenn ich das so lese, bin ich mit meiner Wahl ganz zufrieden, nämlich ein Radlfahrer zu sein. Müßte ich mit der Bahn fahren, bliebe ich so manches Mal zuhause. Die Bahn ist hier, was man so hört, um keinen Deut besser. Bin gespannt ob Du überhaupt eine Antwort auf Deine Beschwerde bekommst und wenn, dann ist es wahrscheinlich der nächste Aufreger. Etwas so: „Madame belieben zu scherzen? Luxus-Ticket fahren und sich dann noch beschweren?“ Lach …

    • Ich wäre auch viel, viel lieber eine Radlfahrerin, lieber Jürgen. Leider ist das – zumindest mit einem Zweirad – nicht mehr möglich, und ein gutes Dreirad kann ich mir derzeit leider nicht leisten…
      Ich habe in meiner Beschwerde geschrieben, dass ich mit meinen Erlebnissen zur Presse gehen werde, sollte ich nicht binnen zweier Wochen eine schriftliche Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung erhalten. 😉

      • Vor einigen Jahren konnte ich nicht mal mehr ohne Krücken laufen. Bei einem längeren Aufenthalt in der „Manuellen Therapie in Hamm“ wurde mir geholfen. Auflage viel Radfahren. Es hat Wunder gewirkt. Zwei Tage ohne Radfahren merke ich sofort. Aber das gilt natürlich nicht für alle „Beschwerden“.
        Mal sehen wie die Bahn reagiert. Bin schon gespannt.

  2. Mich wundert bei der Bahn gar nix mehr. Da werden ja auch Kinder auf freier Strecke ausgesetzt, weil sie nicht das richtige Ticket haben. Ich fahre höchst ungerne Bahn, auch wenn es umweltfreundlicher wäre, manchmal jedenfalls. Ich bin gespannt auf die Reaktion auf Deine Beschwerde.
    Der andere Zugbegleiter sollte mal eine Schulung in Taktgefühl erhalten, hilft aber vermutlich auch nix. Schade, das einem in solchen Situationen schlagfertige Antworten meistens erst hinterher einfallen.

    • Nein, bei der DB darf man sich wirklich über gar nichts mehr wundern… Ein Spezl von mir ist vor ein paar Monaten per Eisenbahn kreuz und quer durch Zentralafrika gefahren. Da gab es funktionierende Klima-Anlagen, sogar tadelloses und schnelles WLAN, und jeder Passagier hatte einen Sitzplatz…

      • In Sachen Netz und WLAN sind wir eh tiefstes Entwicklungsland… in Polen hatte ich in jedem Kuhkaff Netz, sogar auf der großen Düne von Leba. Kaum hatten wir die Grenze zu Brandenburg, bzw. Meck-Pomm passiert, weg das Netz. In der Straßenbahn von Breslau gab es sogar USB Anschlüsse

  3. DAS IST JA WOHL DER HAMMER – egal, Margot, wie immer auch die Antwort der Bahn ausfällt, das MUSS an die Presse.
    Ich bin auch gespannt.

    • Bis jetzt habe ich noch nichts von der Deutschen Bahn gehört… Aber man wird ja höchstwahrscheinlich nicht nur mit meinen Beschwerden zu tun haben, sondern wohl eher mit einer Flut davon…

  4. Erst einmal bin ich froh, dass dir nichts passiert ist. Das hätte schlimm ausgehen können.
    Sehr gespannt bin ich natürlich auch, ob die Bahn sich meldet.

    • Yepp, das hätte ganz böse ausgehen können…
      Ich nehme an, dass das bei der Flut an Beschwerden, die – so nehme ich an – tagtäglich bei der Deutschen Bahn eingehen, eine Weile dauern wird, bis man sich melden wird… Falls man sich melden wird…

  5. Dies ist jetzt aber wirklich nahezu unglaublich. Hier bei uns wäre es glaubhaft, aber bei euch sind doch regelmässig auch so viele ortsfremde Leute unterwegs, dass längst ein gewisser Anstand hätte vorhanden sein müssen. Öffentliche Verkehrsmittel und solches „Aussagen“ bzw. solches „Personal“ geht ja wirklich nicht. Da hilft nur Beschweren, denn dies soll ja zumindest anderen nicht mehr so geschehen. Bin auch gespannt, was man dir antwortet. LG Michael

  6. ich bin am nachlesen. 🙂 (3 wochen enkel gehütet und keine zeit zum lesen)
    oh mein gott! ich bin entsetzt. das muß unbedingt verbreitet werden, schon damit jedem zugsbegleiter mal von den vorgesetzten gepredigt wird, wie er sich behinderten menschen gegenüber zu verhalten hat und dass er nicht blöd dasteht und guckt, sondern zu hilfe verpflichtet ist, wenn ihm das nicht schon die eigene empathie sagt. das ist ärger als in djibouti!

    • Ja, das kann ich gut nachvollziehen, dass man beim Enkel hüten nicht zum Lesen kommt. 😀
      Ich habe bis dato noch kein Sterbenswörtchen von der Deutschen Bahn gehört/gelesen. Jetzt wird es höchste Zeit, an die Presse zu gehen.

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