Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Väterchen Timofei’s idyllischer Schwarzbau…

… Einige hundert Meter südlich des kühn geschwungenen Zeltdachs des Münchner Olympiastadions befindet sich eine der schönsten Oasen des sogenannten Millionendorfs, die Ost-West-Friedenskirche des ehemals russischen Geistlichen Timofei Wassiljewitsch Prochorow…

… Dieser war vermutlich Mitte Januar 1894 in Bagajewskaja am Don geboren worden. Im Zweiten Weltkrieg verdiente er sich sein Brot mit dem Ausfahren von Kohle in der besetzten Stadt Schachty. Die deutsche Wehrmacht zwang ihn, mit seiner Kutsche fliehende Soldaten zu transportieren…

… Nach seiner Flucht gegen Ende des Zweiten Weltkriegs begann für Timofei eine wahre Odyssee. Schließlich erreichte er Wien und lernte dort seine Lebensgefährtin Natascha kennen. In einer Vision befahl ihm die Jungfrau Maria, eine Basilika zu errichten, doch das Vorhaben scheiterte an den Wiener Behörden…

… So zogen die Beiden nach München weiter, wo sie sich am Rande des ehemaligen Flugplatzes Oberwiesenfeld niederließen. Aus dem reichlich vorhandenen Bauschutt – heute der Olympiaberg – errichteten sie ein Haus, eine Kapelle, sowie eine kleine Kirche, deren Decke mit Stanniolpapier aus Zigarettenschachteln und Schokoladenverpackungen verkleidet ist… 😉

… Jahrzehntelang lebten Timofei und Natascha friedlich und ungestört in ihrer kleinen Einsiedelei – bis München Olympiastadt wurde, und die Ost-West-Friedenskirche dem geplanten Bau des Stadions weichen sollte. Der Abriss des Refugiums schien so gut wie beschlossene Sache – denn die zwei Exilrussen hatten bei der Stadt nie eine Baugenehmigung beantragt!…

… Die Münchner protestierten allerdings vehement mithilfe der Tageszeitungen sowie des damaligen Oberbürgermeisters Hans Jochen Vogels und der tatkräftigen Unterstützung der Presse – und schließlich gab man nach und verlegte Park und Sportstätten ein ein klein wenig nordwärts…

… Timofei wurde – so sagt man – 110 Jahre alt. Sein Grabstätte sowie die seiner Frau Natascha, die bereits 1976 verstorben war, befinden sich auf dem Münchner Westfriedhof…

… Und so durfte ich ihn vor ca. fünfzehn Jahren kennen lernen, kurz vor seinem Tod: Ein geistig noch sehr reger, warmherziger, aber auch ausgesprochen schlitzohriger Mensch. Ich durchlitt damals eine sehr turbulente Liebesgeschichte – eine wahrhaft höllische Achterbahnfahrt der Gefühle! – und ein Weilchen neben ihm auf der kleinen Hausbank sitzen und entspannen zu dürfen, empfand ich als große Wohltat. Er bot mir Kirschen in einem geflochtenen Weidenkörbchen an – und verlangte dann, als ich mich von ihm verabschiedete, zwei Euro für die Handvoll Früchte, die ich verzehrt hatte… 😀

… Links ein Portrait Timofei’s – seine kleine Einsiedelei wurde im Laufe der Jahrzehnte von vielen namhaften KünstlernInnen aufgesucht. Das rechte Foto zeigt ihn mit seiner Liebsten Natascha während der Bauarbeiten auf dem Dach der Basilika…

… Die Ost-West-Friedenskirche mit dem berühmten Himmel aus Stanniolpapier…

… Nach Timofei’s Tod übernahm die Stiftung Ost-West-Friedenskirche die kleine Einsiedelei, behutsam und beharrlich darum bemüht, diese wunderschöne kleine Oase der Ruhe und des Friedens zu bewahren und zu pflegen…

… Einige Impressionen von Münchens idyllischsten Schwarzbau – ihr wisst ja, wenn ihr euch ein Bild genauer ansehen wollt, braucht ihr nur darauf zu klicken:…

… Das symbolische Grab Natascha’s…

… Ich verbrachte eine sehr ruhige und entspannte Stunde in diesem bezaubernden Refugium – und es war mir sogar das fotografische „Jagdglück“ hold, es gelangen mir Aufnahmen von einem Mönchsgrasmückerich und einem Rotkehlchen, die sich einen Sängerwettstreit lieferten, und eines prachtvollen großen Eichelhähers…


28 Antworten zu “Väterchen Timofei’s idyllischer Schwarzbau…”

  1. Meine Eltern besuchten die beiden 1970, da waren noch keine Touristenschwärme da. Sie fühlten sich sehr geehrt und besonders, als sie zum Tee eingeladen wurden. Beim Abschied wurden sie gebeten zu spenden mit den Worten: Werden Sie geben ein bisschen für Tee, Sie haben den letzten getrunken.( dabei wurde eine leere Dose geschüttelt ) Aber keine kleine Geld, Papier besser! Und erzählen Sie alle Leute, sollen kommen und uns besuchen!

    • 😀 😀 😀
      Das alte Schlitzohr!
      Bei jungen Paaren, die von der Eremitage wussten, war diese als Hochzeitsort sehr beliebt. Sein Nachfolger hält keine Messen mehr ab, sondern liest nur jeweils morgens und abends die Liturgie, wie ich vor kurzem erfahren habe.

  2. Welch ein Glück, dass dieses kleine Refugium erhalten blieb. Schön, dass Du es uns gezeigt hast. ich bin immer viel zu ungeduldig und bekomme nie so schöne Vöglein vor die Linse..

    • Ja, das finde ich auch…
      Eigentlich ist Ungeduld eine meiner größten Schwächen. 😉 Aber wenn es darum geht, Tiere zu beobachten, kann ich ganz ruhig und geduldig stundenlang an einem Fleck ausharren. 😉

  3. Ein sehr schöner informativer Beitrag, mit tollen Fotos . Dazu klasse Vogelaufnahmen, du wirst allmählich zu Vogelfachfrau😊 !!!👍👍👍

  4. Thanks for this story of his life. I’m glad that people power prevailed, even more that you had the chance to meet him. 2 euro was a small price to pay. 🙂

    • My pleasure. I love to tell stories about people that are or where outstanding in their very own way… Everytime I visit this place I donate some Euros for the cultivation of this wonderful place.

  5. Ich freue mich wirklich schon total auf deine ModeratorInnen-Tätigkeit. Das wird spannend, bei dem Wissensumfang den du hast, weil du das auch noch fantastisch rüberbringen kannst. Danke! LG Michael

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