… meiner geheimnisvollen Muskelerkrankung stellt für das Team des Friedrich Baur Instituts anscheinend nach wie vor eine große Herausforderung dar. Dies wurde mir von der für mich zuständigen Neurologin in einem sehr langen und guten Gespräch am vergangenen Freitag mitgeteilt. Ich sei so etwas wie eine besonders harte Nuss. War man sich vor zwei Monaten noch recht sicher gewesen, etliche Anhaltspunkte für eine sogenannte Gliedergürteldystrophie gefunden zu haben, so hätte sich nach weiteren Analysen der Muskelproben, die mir vor eineinhalb Jahren entnommen wurden, allerdings wieder ein anderes, erneut verwirrendes Bild ergeben. Deshalb hat mir Dr. M. vorgeschlagen, mich an einer humangenetischen Studie, die von der Technischen Universität München zusammen mit dem Klinikum Rechts der Isar durchgeführt wird, zu beteiligen. Man würde dabei nicht nur etwa ein Dutzend markanter Gen-Paare untersuchen, wie das bislang der Fall gewesen war, sondern die Gesamtheit der DNA mit kompletter Genom- sowie Exom-Sequenzierung. Das könnte wieder eine Weile dauern, bis erste Ergebnisse vorliegen würden, aber die Chancen, endlich den Verursacher meiner Krankheit sowie den genauen Typus der Dystrophie feststellen zu können, wären so gut wie hundertprozentig. Bei dieser Studie könnten allerdings auch andere, vielleicht verstörende Dinge zum Vorschein kommen, wie z. B. das Vorhandensein genetischer Auffälligkeiten bezüglich einer Krebserkrankung etc. Natürlich erklärte ich mich dazu bereit, an dieser humangenetischen Studie teilzunehmen. Ich möchte wissen, was ich da in mir trage, wie der Dämon heisst, der mir unaufhörlich an den Muskeln zehrt, und welchen Ursprung er hat. Probleme mit der Krankenkasse habe ich – dem Universum sei Dank! – nicht zu fürchten, da die Kosten großenteils von der TU München sowie dem Klinikum Rechts der Isar getragen werden…
… Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung und genauen Befragung stellte sich heraus, dass sich der Zustand der Muskulatur in den Beinen bis hoch zu den Hüften trotz all meiner in der Regel sehr gewissenhaften Bemühungen etwas verschlechtert hat – geahnt habe ich das bereits in der letzten Zeit. Beruhigend ist, dass der Schulter- und Nackenbereich, sowie die Arme und die Hände und auch das Herz noch nicht von der Dystrophie befallen sind…
… Auf meine Anfrage bestätigte mir Frau Dr. M., dass es in den USA in der Tat eine klinische Studie mit einem Krebsmedikament gäbe, und dass viele der daran beteiligten Dystrophie-PatientenInnen positiv darauf reagieren würden. Und sie machte mir Hoffnung: “Wir Forschungsinstitute sind inzwischen untereinander weltweit so gut vernetzt und stehen in ständigem Austausch. Sobald die Testphase in Amerika abgeschlossen sein wird, wird es nur wenige Monate dauern, bis man hier die erste Studie mit dem betreffenden Medikament zulassen wird. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren in der Erforschung von seltenen Muskelerkrankungen mehr Fortschritte gemacht als in den dreißig Jahren davor. Das gibt uns viel Auftrieb, Mut und Zuversicht.” Oh, ja, Frau Dr. M., mir auch, mir auch…