… Eine Woche später war die kleine Weihnachtsfeier des Seniorentreffs anberaumt worden, und Frau Stegert warf sich etwa eine Stunde vor Beginn der Festivität in ihre beste perlmuttfarbene Seidenbluse, die sie mit einer fein ziselierten Brosche in Form einer Silberdistel zierte.
Während der vergangenen Tage hatte sie stets vormittags erwartungsvoll an der Tür gelauert, wenn der drahtige, wettergegerbte Postbote auf seinem voll bepackten, leuchtend gelben Fahrrad sich dem Haus genähert hatte. Vielleicht gab es ja diesmal eine Einladung einer ihrer Töchter, die Feiertage bei deren Familie zu verbringen. Doch ihre Hoffnungen wurden ein ums andere Mal enttäuscht, wie während all der Jahre seit dem Tod ihres Mannes.
Frau Stegert hatte nie einen liebevollen und fürsorglichen Umgang mit ihren drei Töchtern gepflegt, im Gegenteil, sie hatte seit deren frühen Kindertagen nichts unversucht gelassen, die Mädchen mittels Lügen, moralischer Erpressungen und seelischer Grausamkeiten gegeneinander auszuspielen und aufzuhetzen. Inmitten eines guten halben Dutzends…
Ursprünglichen Post anzeigen 532 weitere Wörter