Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

„Sie werden…

… noch viel Geduld brauchen.“, eröffnete mir die nette Neurologin, die für mich zuständig ist, von mir Frau Doppeldoktor genannt, weil auf ihrem Namensschildchen zweimal das Dr. steht. 😉 „Wir ermitteln bei Ihnen derzeit in zwei verschiedene Richtungen: Zum einen könnte es sich bei Ihnen um eine körperliche Behinderung handeln, die in Ihrer sehr frühen Kindheit schon aufgetreten ist, und die erst jetzt wieder verstärkt zum Vorschein kommt (sprich: Dystrophe Myopathie). Oder aber um einen nur sehr schwer festzustellenden entzündlichen Vorgang. Bei ersterem können wir versuchen, die Symptome zu lindern und ein Fortschreiten zu bremsen. Beim zweiten könnte eventuell eine Heilungschance bestehen, wenn sich auch die entstandenen Schädigungen der Muskulatur nicht mehr rückgängig machen lassen werden. Es kann noch Monate dauern, bis wir endgültig Klarheit haben werden. Aber wir werden auch nach Ihrem Aufenthalt hier mit Ihnen und Ihrem Neurologen in regelmäßigem Kontakt bleiben.“…

… Heute früh stand ich grad unter der Dusche, als man mich zur Kernspintomographie holen wollte. Ich bin ja nun nicht mehr so flink wie ein Reh, nachdem ich mit der Körperpflege fertig war, was vielleicht zehn Minuten in Anspruch genommen hat, verkündete mir die Stationsschwester, bedauernd die Achseln zuckend: „Es tut mir sehr leid, aber Ihr Termin wurde jetzt bereits wieder anderweitig vergeben.“ – „Wird man mir denn dann heute noch einen neuen geben?“ – „Das weiß hier niemand. Kann sein, dass man Sie heute noch einmal rufen wird, kann sein, erst morgen, kann sein, überhaupt nicht… “ Ich muss wohl recht entsetzt drein gesehen haben, die Schwester zog den Kopf zwischen die Schultern und schlich davon. Ich wuchtete mich auf den im Flur stehenden Thera-Trainer, um erst mal ein Viertelstünderl lang den größten Frust wegzuradeln…

… Anschließend fuhr mir die jüngste Ärztin des FBI-Neurologenteams recht schroff über den Mund, nachdem ich ihr freundlich eine simple Frage gestellt hatte. Das Mädel ist anscheinend noch nicht sehr lange Frau Doktor, und führt sich oft so hochnäsig und unzugänglich auf wie der sprichwörtliche Halbgott in Weiß. Wir haben ihr deshalb den Spitznamen „Unser kleiner Liebling“ verpasst… :mrgreen:

… Meine Laune war im Keller, zum Glück kam nur wenig später Frau Doppeldoktor, um nach mir zu sehen. Ich klagte ihr mein Leid bezüglich der Kernspintomographie. Sie bestätigte mir noch einmal, was hier im Haus wohl ein offenes Geheimnis ist: Zwischen dem FBI und der Medizinischen Klinik liegt die Kommunikation hin und wieder gar sehr im Argen. Sie hatte volles Verständnis für meinen Frust, und versprach, in der Radiologie mal ordentlich nachzuhaken. Eine knappe halbe Stunde später kam die Stationsschwester: „Martha, man hat noch einmal angerufen, Sie sollen jetzt gleich zur Kernspintomographie. Ich organisiere Ihnen jemanden vom Hol- und Bringdienst, der fährt Sie mit dem Rollstuhl hin.“ – „Nein, nein, bitte nicht! Wer weiß, wann da jemand kommt, und dann ist mein Termin wieder weg. Ich geh zu Fuß, ich schaff das schon!“ Ich griff mir die Gehstöcke und eierte los, in Hüttenschuhen, weil ich mir nicht einmal die Zeit nahm, meine „Zauberschuhe“ anzuziehen – etwas riskant, ich weiß. Aber es hat geklappt wie am Schnürchen. Heute Nachmittag soll ich noch eine Schluckuntersuchung bekommen. Für morgen früh um neun Uhr ist die Biopsie angesagt, da muss ich mit Rollstuhl hin und zurück, das ist Vorschrift. Ich hab schon angefragt, ob es möglich wäre, einen kleinen Umweg über die Kantine zu machen, denn morgen vormittag würde es kesselfrische Weißwürst‘ geben (das Stück für 1,35 Euro)…  😉

… Ich habe jetzt zwei neue Zimmergenossinnen. Die sind zwar ruhiger als A. und M., aber auch sehr sympathisch, wir kommen gut miteinander zurecht. Eigentlich ist es hier recht gut auszuhalten, fast alle Ärzte und Pfleger/innen sind umgänglich, verständnisvoll und kompetent, das Zimmer ist hell und modern, mit einem sehr feinen, behindertengerechten Badezimmer und großen Fenstern zur Südseite, wir haben hier Sonne satt. Und das Essen ist fein. Wasser, diverse Teesorten und Kaffee gibt es gratis in einem kleinen Zimmerchen rund um die Uhr, so viel man möchte, auch ein Kühlschrank und eine Mikrowelle sind dort installiert. WLAN ist frei, dafür ist der Preis für Fernsehen und Telefon recht gesalzen – aber das brauche ich ja dank meiner kleinen Zauberkiste hier nicht…


51 Antworten zu “„Sie werden…”

  1. Da bist du ja so richtig in der medizinischen Zwangsjacke, selbst, wenn dir die Mitbewohnerinnen die Zeit gut vertreiben. Hoffentlich kommst du mit recht optimistischen Nachrichten bald dort wieder raus…

    Alles Liebe weiterhin und kopf hoch!

    • Das ist wie die berühmt-berüchtigte Wahl zwischen Pest und Cholera. :mrgreen:
      Auch wenn neuromuskuläre Erkrankungen sehr selten sind – es trifft nur einen von Zehntausend – sich hier mal ausgiebig mit gleichfalls Betroffenen hier auf der Station des FBI auszutauschen hilft irgendwie. Und macht Mut.
      Danke, liebe Anna-Lena! ♥

  2. Oh je, da sind Sie ja in einem echten „Institut“. LOL
    Vielleicht schicken Sie zumindest wegen TV mal eine email an die Bay. Staatskanzlei und beklagen, dass Sie auf diese Weise nicht einmal die positiven Entwicklungen Bayerns miterleben können. 😉
    Wünsche Ihnen noch viel „Spaß“ mit Frau DDr.. Die scheint schon allein aufgrund dieser Mehrfachquali genug auf sich abgeladen bekommen.
    Wünsche Ihnen „gutes Gelingen“, denn die zweite Möglichkeit einer Entzündung hört sich doch schon viel besser an. LG MIchael

    • Das FBI an sich ist ein – so wie ich das bislang beurteilen kann – hervorragendes Institut. Alle daran Beteiligten geben sich große Mühe. Die Medizinische Klinik scheint manchmal – aus welchen Gründen auch immer – nicht an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert zu sein. Meine Mail an den Vollhorst würde ich viel lieber zu diesem Thema schreiben, das TV ist eine verschwindend kleine Nebensache, zudem ich Nachrichten usw. ganz gut auf dem Laptop verfolgen kann.
      Die Frau Doppeldoktor ist Klasse!…
      Nun, bei einem entzündlichen Prozess würde es darauf ankommen, ob es ein Heilmittel gibt oder nicht. Das ist nicht gesagt, dass diese Möglichkeit die positivere wäre. 😉
      Danke schön!

      • Schon wieder was gelernt. Danke! Jedenfalls scheinen Sie dort bestens aufgehoben. Dies ist das Wichtigste! Übrigens, weil ich es gerade wieder erinnert habe. unter http://www.minifax.de können Sie ohne Anmeldung sofort ein Fax senden, z. B. an die Stationsleitung LOL, oder unter http://www.epost.de einen kostenlosen Privataccount für kostenloses Empfangen und Versenden von Faxen beantragen. Aber aufpassen: Nur einen Privataccount, und auf die zusätzliche PostIdent-Authentifizierung verzichten, nur den Bestätigungsbrief mit Freischaltcode kommen lassen. LG Michael

  3. Wenn ich die Pflegekraft gewesen wäre, die dich mit dem Rollstuhl befördern müsste, hätte ich wahrscheinlich großen Spaß gehabt und schallend gelacht. Wegen des Weißwürst‘-Umweges.
    Alles Gute für dich und dass dir geholfen werden kann.

    • Die Weißwürst gibt’s morgen nach der Biopsie. Und dazu werde ich höchstwahrscheinlich die Pflegekraft einladen. Und ich denke, dass wir da schon Spaß haben werden. 😉 Mir kommen auch laufend irgendwelche schräge Ideen in den Sinn. Auf dem Weg zum Kernspin wollte ich zwei ältere Herren zu einem Rollstuhlrennen anstiften – wer als erster hinten am Ende des gaaaaaaaaanz langen Flurs bei der Notaufnahme ist. Ich habe mich dann aber doch damenhaft zurück gehalten. 😉
      Tausend Dank, liebe Gudrun! ♥

  4. Huiii….das war ja ärgerlich….die scheinen gut ausgebucht zu sein, wenn sie keine zehn Minuten warten.

    Aber alles in allem hört es sich an, als wärst du in sehr guten Händen. Warum dauert das solang, bis Klarheit über die genaue Diagnose herrscht?

    Viel Spaß bei der Jagd auf die Weißwürste 😉

    • Warum das so lange dauert? Weil das Krankheitsbild so selten ist. In der Hinsicht gleicht das FBI wirklich dem kriminalistischen Vorbild in den USA. Es ist eine Menge höchst detaillierter und intensiver Detektivarbeit nötig, um raren Krankheiten auf die Schliche zu kommen. Meine neue Bettnachbarin leidet seit Jahren schon an überaus sonderbaren Symptomen in der Beinmuskulatur, und nachdem sie jahrelang ärztemäßig von Pontius bis Pilatus geschickt worden ist, ist das Friedrich Baur Institu jetzt quasi ihre letzte Hoffnung.
      Danke schön! 🙂

      • Ja, so ähnlich dachte ich auch. Aber sie haben ja einen Verdacht, bzw. zwei.
        Da könnte man ja gezielt suchen.
        Wenn alles unklar ist, so wie bei deiner Bettnachbarin, ja, das kann ich mir vorstellen, dass man da sucht und sucht und sucht.

        Meine Älteste hatte eine Darmerkrankung, die es in D-land nur einmal gab, war damals unbekannt.
        So hat man ein Stück Darm entnommen, in Scheiben geschnitten und in die ganze Welt verschickt mit der Frage, was das sein könnte. Damals gab es ja noch keine Computer. Als neun Jahre später ihr Bruder geboren wurde und er auch von Geburt an blutige Durchfälle hatte, wußte man, was los ist und konnte gezielt untersuchen, ihm blieb dadurch viel erspart.

        • Sieh mal, und mir wird eine Muskelprobe aus dem linken Arm entnommen, in Scheiben geschnitten, und mit Sicherheit auch weit herum gereicht. So etwas dauert nun mal, sogar im Computer-Zeitalter. Das ist auch mit ein Grund, warum ich wahrscheinlich noch lange auf eine Diagnose warten muss. Und wenn die Erforschung der Krankheit noch so lange dauert, es besteht immer – genau wie in dem Fall deiner Kinder – eine Chance, dass vielleicht irgendwo auf dieser großen weiten Welt jemand mit genau der gleichen Myopathie herum läuft, und man aufgrund der Untersuchungen, die man jetzt an mir betreibt, diesem Menschen dann vielleicht wird helfen können.

          • Ohja, das ist sehr aufwendig, das stimmt schon. Und die Medizin macht ja rasante Fortschritte.
            Leider bei seltenen Erkrankungen nicht ganz so schnell, weil kaum Mittel zur Verfügung gestellt werden.
            Umso besser wenn es solche Zentren wie das FBI gibt.
            Bleibt es bei dir bei der Entlassung am Freitag?

                • Nicht ganz frei – zehn Euro Zuzahlung muss ich pro Tag abdrücken. Aber für dieses Geld könnte ich mich hier in München nicht so hervorragend vollverpflegen. 😉 Noch dazu habe ich zuhause niemanden, der mir das Essen dreimal täglich ans Bett bringt. 🙂

  5. Meine Zimmernachbarin ist ein Rüpel. Sie hat die Trennwand vorgezogen, labert dauernd mit ihrem Mann und das in einer Lautstärke, die auf Dauer nervt! Und die in Dänemark üblichen, ständig offenen Türen finde ich mehr als gewöhnungsbedürftig!
    Dir von Herzen alles Gute!!!
    Liebe Grüße aus Hjørring

    • Vielleicht solltest du die Dame mal darum bitten, ihre Lautstärke zu drosseln? 😉 Oder du vertraust dich einer Schwester bzw. einem Pfleger an, oder jemand von der Ärzteschaft…
      Ich wünsche dir auch herzlichst alles Gute. ♥

      • Ich bin wieder zu Hause und erhole mich jetzt erstmal von der ganzen Aufregung.
        Ich wünsche dir, dass du bald mehr weißt und dich auch erholen kannst. Krankenhaus ist immer anstrengend, egal,ob man nette oder doofe Zimmergenossen hat.
        Alles Gute weiterhin!

        • Ich hatte gestern nachmittag einen richtigen „Krankenhauskoller“ und ein Viertelstünderl lang geheult wie ein Schlosshund. 😉
          Vorraussichtlich muss ich noch bis mindestens Montag bleiben.
          Erhol dich gut! ♥

          • Danke dir.
            Ich verstehe dich, weiß aber nicht, wie ich dich trösten kann. Vielleicht hilft dir das Wissen, im für dich besten Krankenhaus zu sein. 💛

  6. Du Ärmste. Für mich wäre das alles nichts. Ich bin zwar unendlich geduldig, aber wenn ich das so lese mit Deinen „Pleiten Pech und Pannen,“ würde bei mir die Halsschlagader doch wieder im Durchmesser bedenklich zunehmen. Halte durch.

    • Meine Halsschlagader ist heute wieder ganz ordentlich strapaziert worden. 😉 Wegen einer Biopsie im linken Bizeps darf ich heute nicht viel schreiben, ich soll den Arm schonen. Aber morgen werde ich dann Neues berichten. 😉

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