Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Gut möglich,…

… dass man auf einem kleinen Eiland am Ende der Florida Keys erneut an einer Unabhängigkeitserklärung arbeitet. – Seit der US-Präsidentschaftswahl kommt mir ein Schelmenstreich, der sich vor gut dreißig Jahren zugetragen hatte, immer wieder in den Sinn – und zutrauen würde ich eine Wiederholung dessen den charmanten und liebenswerten, eigenwilligen und querköpfigen Insulanern/innen durchaus:…

Die Florida Keys liegen aufgereiht wie Perlen an der Schnur zwischen dem Atlantik und der weit ausladenden Bucht des Golfs von Mexico. Die südlichste dieser Inseln ist Key West. Sie zeichnet sich nicht nur durch schöne Strände und ein Wohnhaus Hemingways aus, sondern auch durch eine illustre, farbige und schräge Geschichte. Bereits in früheren Zeiten hatten die Einwohner einen sehr lockeren Begriff von Recht und Ordnung, sie „verdienten“ sich ihren Lebensunterhalt großenteils durch das Plündern gestrandeter Schiffe, die sie durchaus des Öfteren mit einem falsch gesetzten Leuchtfeuer vorsätzlich vom sicheren Kurse abzubringen pflegten.

Die Zeiten wandelten sich, Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts wurden die Florida Keys als Urlaubsparadies sonnenhungriger Nordstaatler und Ausländer entdeckt. Es war in den frühen Achtzigern, der sehr umstrittene Ronald Reagan herrschte als Präsident im Weißen Haus, und irgendwie mußte ihm irgend jemand vor ungezählten bösen Buben und finsteren Delikten wie zum Beispiel Rauschgiftschmuggel in großem Stile auf dem Inselarchipel im Sunshine State bange gemacht haben. Ronny ließ im Frühjahr 1982 von seinen Behörden einen streng bewachten Kontrollposten am Higway Nr. 1 einrichten, dem einzigen Landweg, der die Keys über zahlreiche Brücken mit dem Festland verbindet. Die Maßnahme sollte die Suche nach Drogen sowie illegalen Einwanderern erleichtern, brachte jedoch lediglich erhebliche Erschwernisse für den florierenden Tourismus mit sich – und kaum nennbare Erfolge für die Bundesbehörden.

Die Insulaner waren alles andere als begeistert. Die Stadtregierung Key Wests verlangte die sofortige Entfernung der Barriere. Eine entsprechende Klage scheiterte. Nach einer ausdauernden, stürmischen, feucht-fröhlichen Versammlung in der Seefahrerkneipe „Schooner Wharf“ erklärte man am 23. April 1982 die Abspaltung von den Vereinigten Staaten von Amerika, sowie die Unabhängigkeit und rief die Conch Republic aus (Conch = Fechterschnecke, Hauptnahrungsmittel und Wahrzeichen Key Wests). Der Bürgermeister wurde zum Premierminister ernannt, die seinerzeit schon sehr betagte – neunundachtzigjährige – Nachfahrin eines Ex-Admirals mit deutschen Wurzeln zur Kriegsministerin. Man bestückte ein altes Museumsschiff, den Segler „Wolf“, mit einer Handvoll Kanonen, die auch schon bessere Tage gesehen hatten, lud diese mit Kanten altbackenen Weißbrots, ging an der einzigen Brücke vor Anker, blockierte die Zufahrt und erklärte den USA den Krieg. Nach diesem recht kurzweiligen Spektakel wurde sehr schnell die weiße Fahne gehisst, und das Parlament der Mikro-Republik ersuchte um 1 Milliarde Dollar für den Wiederaufbau. Dieser Schelmenstreich sorgte für enormen Wirbel, beherrschte tagelang die Schlagzeilen – und führte dazu, daß die Kontrollstelle aufgegeben wurde

Nach wie vor identifizieren sich viele Einwohner von Key West mit der Conch Republic. So wird alljährlich am 23. April mit einer Unzahl rauschender Festivitäten der Unabhängigkeitstag gefeiert. Auch die augenzwinkernden Schelmereien finden ihren Fortgang: Im Januar 2006 annektierte das kleine Inselreich eine alte Brücke, die zuvor von der US-Regierung zum staatenlosen Bereich erklärt worden war (um Flüchtlinge, die auf ihr Schutz gesucht hatten, abschieben zu können). Vertreter der illustren und winzigen Nation pflanzten Flaggen auf die marode Brücke und nahmen sie für ihr Inselreich in Besitz…

… Bis zum heutigen Tage werden übrigens Bundesagenten, die in schwarzen SUVs, dunklen Sonnenbrillen und Knöpfen im Ohr über die Duval Street cruisen – ca. 1,6 km vom Atlantik bis zum Golf von Mexico 😉 – und das bunte Gemenge Einheimischer und Touris beim Feiern und Flanieren stören, mit harten Scheiben kubanischen Weißbrots beworfen…

 

 


24 Antworten zu “Gut möglich,…”

  1. Die Keys habe ich kennen und lieben gelernt. Aber die Geschichte kannte ich nicht (eben Tourist 🙁 ). Es ist sehr interessant, was du schreibst. Es ist nie zu spät für gute Informationen.

    • Ich liebe die Keys auch, und kann mir gut vorstellen, dort zu leben, trotz der alljährlich drohenden Hurrican-Gefahren… Ich bin auf diese Geschichte bei meinem ersten Florida-Besuch vor sechzehn oder siebzehn Jahren aufmerksam geworden, da stand ich während eines Spaziergangs unverrichteterdinge vor dem Anwesen des damaligen „Premierministers“. Wir haben ganz entspannt ein Weilchen geplaudert, und ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, mich einbürgern zu lassen. 😉

  2. Die Geschichte kannte ich auch noch nicht. Aber die Fotos kommen mir sehr bekannt vor. Fehlt nur noch Slappy Joo. Die Kneipe wo sich Hemingway immer zugedröhnt haben soll. Dir einen schönen Sonntag. L.G.

    • Du meinst „Sloopy Joe“? 😉 Da war ich nicht, die Einheimischen meinten, dass das inzwischen nur mehr eine von vielen überteuerten Touristenkneipen sei, ursprüngliche Key-West-Atmosphäre würde man weitaus eher in den Lokalen abseits der Duval Street erleben. 😉 Außerdem hatte ich mit Hemingway nie viel am Hut, so dass ich mir sowohl den Besuch der Kneipe als auch seines Hauses erspart habe.
      Hab du auch einen guten Sonntag.

  3. Das stimmt, dein Beitrag ist immer so interessant und lehrreich, dass ich keine Bücher mehr lesen müsste. Danke dir dafür und natürlich auch für wunderschöne Bilder! lg bilere

  4. dort war ich noch nie und die Geschichte kannte ich auch nicht. Das Bloggen bildet, das weiss ich schon lange. Vielen Danke fuer den interessanten Artikel, der wie immer, mit viel Liebe und wunderbar geschrieben ist. Und auch fuer die Bilder dazu

  5. Vielen Dank für den schönen Beitrag und die gelungenen Fotos. So langsam fange ich an, mich auf die Reise im nächsten Jahr zu freuen.

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