Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Aus meiner Lese-Ecke…

… Bei meinem letzten Besuch in der Heimat geriet mir ein kleines Büchlein in die Hände, das ich, einmal angefangen, binnen weniger Stunden ausgelesen hatte:…

… Im Zeichen des Ungeistes – Autor: Prof. Dr. Rudolf Kriß (1903 – 1973)…

… Er war eine der herausragendsten Persönlichkeiten meiner Heimat, Brauereibesitzer (Berchtesgadener Hofbräuhaus), ein tiefgläubiger Menschenfreund, ein bahnbrechender Forscher religiöser Volkskunde, sowie Förderer und Bewahrer heimischer Traditionen…

… 1938 hatte das NS-Regime Kriß die Professur in Wien entzogen, Hauptgrund war seine unverhohlen kritische Einstellung Hitler und seinen Gefolgsleuten gegenüber, und wohl auch seine Homosexualität…

… Ende 1943 lernte er durch Zufall einen jungen Ramsauer Bauern kennen, der über keine große Bildung verfügte, jedoch ein bestrickendes, schriftstellerisches Talent sein Eigen nannte. Rudolf Kriß nahm den Autor unter seine Fittiche, und half ihm beim Erarbeiten eines beeindruckenden Romans. Kurz vor Abschluss des letzten Kapitels musste der Jungbauer ins Feld ziehen. Sein Mentor nahm Kontakt zu einem Berchtesgadener Maler und Zeichner auf, der die Buch-Illustrationen gestalten sollte. Es kam zu einer Diskussion, in deren Verlauf der Professor – nicht zum ersten Mal – einige abwertende Bemerkungen über den Führer und Konsorten fallen ließ…

… Nur wenig später, im Januar 1944, wurde Rudolf Kriß von der SS verhaftet, der Kunstmaler hatte ihn denunziert. Nachdem er gut ein halbes Jahr im Münchner Gefängnis Neudeck zugebracht hatte, wurde er nach Berlin, ins Zuchthaus Moabit, überstellt, und während einer zehnstündigen Verhandlung zum Tode verurteilt. Den Richterspruch, das Warten auf die Hinrichtung, sowie seine insgesamt eineinhalb Jahre währende Leidenszeit, hatte Kriß mit bewundernswerter Haltung und überragender Seelengröße hingenommen und ertragen. Dem mutigen Einsatz seiner besten Freundin, Kammersängerin Frau Felicie Hüni-Mihasecsek, ist es zu verdanken, dass schließlich die Begnadigung zu lebenslangem Zuchthaus erfolgte…

… Kriß wurde mit vielen Mitgefangenen nach Straubing überstellt, es folgte eine beinahe zwei Monate dauernde, furchtbare, groteske Irrfahrt unter teilweise entmenschlichten Zuständen durch halb Deutschland…

… Im Frühjahr 1945 wurde Rudolf Kriß aus dem Zuchthaus befreit, er machte sich auf den Weg in die Heimat. Unterwegs fühlte er sich innerlich wie taub, wie erstarrt, dem Irdischen entrückt, zögerte seine Heimkehr immer wieder hinaus…

… Als er endlich in Berchtesgaden eintraf, wurde ihm von Verwandten, Freunden und den Brauerei-Angestellten ein stürmischer Empfang bereitet…

… Dr. Rudolf Kriß schrieb „In Zeiten des Ungeistes“ bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Berchtesgaden 1945 nieder. Von der amerikanischen Besatzungsmacht wurde er Ende Mai 1945 zum Bürgermeister Berchtesgadens ernannt. Er setzte seine wissenschaftlichen Tätigkeiten zuerst in Salzburg, dann in München fort. Zudem unternahm er Forschungsreisen u. a. nach Nordafrika und erweiterte seine private Sammlung auf insgesamt ca. 14.000 Votivgaben und anderer Zeugnisse religiöser Volkskunst, die hauptsächlich aus dem Alpenraum stammten…

… Die 3. Auflage wurde 2015 vom Heimatkundeverein Berchtesgaden e. V. heraus gegeben…

… Abschließen möchte ich meine Buchbesprechung mit einem Zitat aus dem Klappentext:…

… „Überaus zutreffend … hat Professor Kriß den Titel seines Buches gewählt. Dieses Buch und mit ihm alle Opfer des Hitlerregimes haben uns damals den Auftrag erteilt, den Ungeist des Nationalsozialismus in unserem Volke endgültig auszurotten. Es soll uns alle zu mehr Wachsamkeit gegen Radikalismus aller Art, insbesondere gegen Rechtsextremismus und Neonazismus ermahnen.“…

rudolf kriß


18 Antworten zu “Aus meiner Lese-Ecke…”

  1. Leider haben auch die Besatzungsmächte und „alte Spezl“ dafür gesorgt, dass sich eben dieser Ungeist erhalten hat. Da die Altvorderen nach dem Krieg wieder hohe und höchste Ämter besetzen konnten. Und es gibt auch jetzt sehr viele ultrarechte Studentenverbindungen, die ja dann die Elite in unsrer Gesellschaft stellen. Schau dir mal an, wer denn so in der „Alternative“ ist… sehr viele Wirtschaftsvertreter etc. Erinnert mich sehr an die „Partei“ von damals. 😕

    Liebe Grüße
    Ute

    • In Wahrheit hat die sogenannte „Entnazifizierung“ gar nicht statt gefunden. Und unsere „sozialen“ und „christlichen“ und „demokratischen“ Volks(ver)treter reden mittlerweile den Rechten schon dermaßen nach dem Mund, dass einem himmelangstundband werden kann…
      Herzliche Grüßee!

    • Die Gier nach Wählerstimmen, und die Angst, die Macht zu verlieren, lässt sehr viele „Demokraten“, auch aus dem „christlichen“ und „sozialen“ Lager, die Schlagwörter und Parolen der zusehends erstarkenden Rechten gebrauchen. Das bereitet mir ganz große Sorge.

        • Die Erinnerungen an Herrn Prof. Dr. Kriß werden immer noch sehr hoch gehalten. – Mein Vater hat ihn gekannt, als er ein noch recht junger Lehrer gewesen ist, hat er Rudolf Kriß öfters besucht, Bücher geliehen bekommen, und sich mit ihm über Heimatkunde ausgetauscht. Der Professor war anscheinend von ihm so angetan, dass er ihm so etwas wie eine Assistenten- bzw. Verwalterstelle angeboten hatte, aber irgendwie ist daraus dann doch nichts geworden.

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