Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Venedig – im Ghetto…

… Bereits im 5. und 6. Jahrhundert gab es Juden im Raum der venezianischen Lagune. Sie waren allerdings lediglich als Händler und Kreditgeber willkommen und durften sich nur auf dem Festland ansiedeln, auf den Inseln hat man sie als Bewohner/innen nicht geduldet. Im Mittelalter setzte aufgrund der Inquisition und der Vertreibung der letzten Juden aus Spanien ein vermehrter Zustrom jüdischer Flüchtlinge ein. 1516 wurde ihnen durch die venezianische Republik die Insel Gheto, was so viel wie Metallguss bedeutet, im Stadtbezirk Cannaregio als Wohngebiet zugewiesen…

… Die Juden, ungefähr 5.500 an der Zahl, wohnten bis 1797 unter sehr beengten Verhältnissen, isoliert und abgeschottet auf ihrem ca. 1 Hektar großen Eiland, getrennt von der restlichen Bevölkerung Venedigs. Doch sie genossen gleichzeitig auch den Schutz der Republik. Sie wurden zwar wie überall in Europa sehr hoch besteuert, brauchten aber keine Repressalien bzw. die Inquisition zu fürchten. Gewalttätige Übergriffe auf sie wurden hart bestraft. Die Venezianer beteiligten sich auch nicht an Progromen. Im Jahr 1797 eroberte Napoleon La Serenissima. Er hob die Kasernierung der Juden auf und ließ die Tore zum Ghetto verbrennen. Eine rechtliche Gleichstellung erfolgte jedoch erst im Jahr 1848…

… Ab 1943 wurden die meisten der noch im Ghetto lebenden Juden von den deutschen Besetzern deportiert und größtenteils ermordet. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten Überlebende der Konzentrationslager zurück. Heute gibt es wieder eine kleine, rund 500 Bewohner/innen zählende jüdische Gemeinde in Venedig. Sie steht rund um die Uhr unter intensiver Polizeibewachung. Auf dem Campo Ghetto Nuovo hat man eigens für sie ein kleines Wachhäuschen errichtet…

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… Von San Michele aus fuhr ich mit dem Wasserbus zur Haltestelle Ferrovia – dem Bahnhof – um zunächst den Rio di Cannaregio entlang zu schlendern…

… Im Ghetto…

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… Es war Sabbat, und durch die schmalen Gassen und Kanäle wogte sanft und sehr anrührend der andächtige, schwermütige, melodische Gesang aus den Synagogen…

… Gedenktafel für die von den Nazis im Zweiten Weltkrieg verschleppten und ermordeten jüdischen Bewohner/innen des Ghettos:…

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… Mauern und Stacheldraht – als Mahnmal an die Greueltaten des Holocaust…

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… Ob jüdischen, christlichen, muslimischen oder anderen oder gar keines Glaubens – Kinderspiele gleichen sich auf der ganzen Welt – und so oft sind die Kinder um so vieles klüger als wir sogenannte „Erwachsene“…

… Sehr nachdenklich gestimmt fuhr ich Richtung Lido. Nachdem ich mich ein wenig frisch gemacht und einen Happen gegessen hatte, beschloss ich, noch ein bisschen am Strand spazieren zu gehen. Ich wollte mir so gerne ansehen, wie der Vollmond sich über jener hauchfeinen Linie erhebt, an der Himmel und Wasser aufeinander treffen…

… Und plötzlich war er da – völlig unbemerkt hatte er sich über den feinen Dunstschleier an der Kimm geschoben…

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25 Antworten zu “Venedig – im Ghetto…”

  1. Danke fürs Mitnehmen und die vielen kleinen, so sehr besonderen Details, sie haben mich alle sehr berührt. Und ein Bild hab ich eben bestimmt 5 mal angeschaut, die Spiegelung im Kanal ist Wunder-wunderschön!!! Hab einen schönen Tag, meine Liebe

  2. Der wie immer hervorragend geschriebene und fotografierte Blog hat in mir Erinnerungen aus dem Jahr 1982 geweckt, die ich in meinem Buch wie folgt beschrieben habe:

    Ein Linienbus bringt mich nach Venedig, zum Busbahnhof
    an der Piazza Roma. Bis zur Abfahrt des Zuges nach München
    bleibt mir ein wenig freie Zeit – und ich beschließe,
    nicht in den Touristenrummel rund um den Markusplatz
    einzutauchen. Stattdessen mache ich mich auf den Weg zum
    sogenannten ≫Ghetto Novo≪. Im prallen Sonnenlicht folge
    ich dem Canal Grande, überquere die Scalzi-Brucke und erreiche
    die ≫Calle di Ghetto≪. Im Ghetto Novo entstand einst
    das erste jüdische Getto rund um die alte Gießerei (ital.
    Getto).
    Das Viertel mit seinen maroden, teils achtstöckigen Wohnhäusern strahlt eine merkwürdige Ruhe aus. In einem
    koscheren Restaurant werden ≫Gefilte Fish≪ und ≫Auberginen
    Ghetto Style≪ angeboten. Es gibt eine jüdische Backerei,
    Buchhandlungen und Galerien. Ein Mann mit schwarzem
    Hut und Gebetsschal eilt quer über den Platz, den
    Campo de Gheto Novo.
    Ich denke an die letzten 200 Juden aus Venedig, die im
    Jahr 1944, kurz vor Kriegsende, von der SS in die Vernichtungslager
    deportiert wurde. Nur sieben von ihnen haben
    überlebt. Nachdenklich spaziere ich zum Bahnhof, der Stazione di
    Venezia Santa Lucia, die genau gegenüber von der Piazzale
    Roma liegt und decke mich unterwegs für die nächtliche
    Bahnfahrt mit Wein, Oliven, Käse und Brot ein.

    • Danke, lieber Wolfgang, für deine Eindrücke vom Ghetto… Immer wenn zwischen den Gesängen aus den Synagogen Pausen eintraten, ist mir auch diese ganz besondere Stille aufgefallen. Und auch mich hat dieser Rundgang sehr nachdenklich gestimmt.
      Liebe Grüße!

  3. So hat auch Venedig seine wenig rühmliche Geschichte… 🙁 .
    Danke für diese vielen interessanten Informationen.
    Eigentlich muss ich nur noch hinfahren und alles auf mich wirken lassen, was ich nun bei dir „gelernt“ habe…

  4. Sehr interessant, ja das stimmt nachdenklich. Der Mond ist ja phantastisch. Erst die schönen Sonnenuntergänge und jetzt das super Bild vom Mond. Deine Reise war einfach einmalig.

    • Diese Reise war ein Traum – ich zehre immer noch von den Eindrücken. 🙂
      Zuerst war ich ein bisschen sauer, weil der Mond nicht direkt über dem Meer aufgegangen ist – was für ein Hammer-Foto hätte das gegeben! Doch dann ist mir doch noch eine gute Aufnahme gelungen.

  5. Wieder so tolle Bilder.
    Und die Geschichte dazu….auch wenn sie traurig ist, sie ist ja so passiert 🙁

    Das Bild mit dem Mond ist der Hammer!!!!

  6. Herzlichen Dank für deinen Bericht, deine Sicht, und für die vielen schönen Bilder. Und auch, dass du keinen weiten Bogen machst, um den Teil der Geschichte, den andere gern vergessen möchten.
    Die Fotos, die du mitgebracht hast von deiner Reise, sind so schön. Sie nehmen mit in die Stimmung einer ganz besonderen Stadt und bleiben für dich immer eine gute Erinnerung.
    Liebe Grüße von der Gudrun

    • Sehr, sehr gerne, liebe Gudrun…
      Es war mir ein großes Bedürfnis, auch das Ghetto in Venedig zu besichtigen. Und ich möchte diesen kurzen Rundgang nicht missen…
      Danke schön! 🙂 Es zeigt sich wohl, dass mir der Umgang mit der neuen großen Kamera sehr viel Freude bereitet. Leider, leider ist sie des schlechten Wetters wegen seit meiner Rückkehr kaum mehr zum Einsatz gekommen. Seit langem schon habe ich eine Wanderung geplant, und komme einfach nicht dazu, weil die Witterungsbedingungen dies nicht zulassen.
      Herzliche Grüße!

  7. Wunderbare Eindrücke wieder. Dass es dort ein Ghetto gibt, wusste ich, nicht aber, dass dort wieder so viele Juden in ihrem Viertel leben. Die Geschichte ist traurig genug, aber noch trauriger finde ich, dass es heutzutage schon wieder nötig ist, die Menschen dort zu bewachen.
    Hier ist es natürlich auch nicht anders. Wir haben in Köln eine sehr große jüdische Gemeinden, aber die Synagoge muss immer geschützt werden.
    Nachdenkliche Grüße, Ingrid

    • Danke schön, liebe Ingrid.
      Ich fand das so traurig, dass auch heutzutage das Ghetto noch observiert werden muss, dass ich es nicht übers Herz brachte, das Wachhäuschen mit den Polizisten darin zu fotografieren, obwohl dieses anscheinend eines der beliebtesten Fotomotive der Touristen zu sein schien…
      Die Münchner Synagoge, wegen ihres Baustils flappsig „Judenwürfel“ genannt, wird auch rund um die Uhr bewacht…
      Liebe Grüße!

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