Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Gedenkveranstaltung zum 77. Jahrestag der Progromnacht…

… auf dem Münchner Odeonsplatz, 9. November 2015 – zugleich auch eine Anti-Pegida-Demonstration…

… Vor etwa 3.000 Teilnehmern rechnete Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter mit klaren und unmissverständlichen Worten mit den Pegidioten ab: Deren Strategie, sich bewusst an solch sensiblen Orten wie der Feldherrnhalle, dem Königsplatz oder gar dem Platz für die Opfer des Nationalsozialismus zu versammeln, sei „ein unglaublich perverse Form von Provokationen“ im öffentlichen Raum. Und: „Wir werden in München heute und immer wieder aufstehen und uns den Hasspredigern, den Ewiggestrigen und den menschenverachtenden Scharfmachern mit aller Macht entgegenstellen.“, so OB Reiter unter Applaus. „Damit sie ein für allemal verstehen, dass sie hier mit ihren rassistischen, rechtsextremistischen und antisemitischen Parolen und Anfeindungen keinen Fuß auf den Boden bekommen, geschweige denn jemals wieder salonfähig werden.“…

… Eine junge Schauspielerin der Münchner Kammerspiele trug beklemmende Einträge aus Edgar Feuchtwangers Lebenserinnerungen „Als Hitler unser Nachbar war“ vor. Manfred Zapatka und Juliane Köhler, beide derzeit im Residenztheater engagiert, lasen aus dem „Tagebuch aus Bergen-Belsen“ von Hanna Levy-Hass. Dann hielt der Münchner Philosoph Julian Nida-Rümelin eine so gut formulierte und ergreifende Rede, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Er forderte eine „Leitkultur der Humanität“. „Diese Stadt,“, so sprach er, „ist in den letzten Jahren zu einer der weltoffensten, tolerantesten, solidarischsten der Welt geworden.“…

… Zum Abschluss der Kundgebung sangen wir gemeinsam das Moorsoldatenlied der Häftlinge des Konzentrationslagers Börgermoor bei Papenburg. Dieses Lied ist während der vergangenen Monate so etwas wie die Hymne der Bewegung „München ist bunt“ geworden…

… Nach angeblich sorgfältiger Prüfung von umfangreichem Filmmaterial über die Versammlungen und „Spaziergänge“ der Pegidioten, einer Gefahrenprognose der Polizei sowie einer Mitteilung des Verfassungsschmutzes genehmigte der Verwaltungsgerichtshof eine Demonstration der „besorgten Bürger“ trotz des geschichtsträchtigen Datums und trotz der Befürchtungen des Kreisverwaltungsreferats, es könne zu „hetzerischen Thesen und antisemitischen Provokationen“ kommen. Allerdings nicht vor der Feldherrnhalle oder auf dem Königsplatz, sondern an der Münchner Freiheit…

… Und nun, nach Ende der Gedenk-Kundgebung, geschah etwas, was mir im Nachhinein immer noch die Gänsehaut über den Rücken jagt: Geschlossen machten sich fast alle Teilnehmer/innen auf den Weg Richtung Ludwigstraße. Schweigend zogen sie auf dieser Richtung Siegestor. Höchst erstaunlich war, dass weit und breit keine Polizei zu sehen war, lediglich an der Kreuzung zum Altstadtring standen zwei Beamte, die dafür sorgten, dass vereinzelt querende Fahrzeuge den Marschierenden nicht gefährlich werden konnten. Erst nach dem Siegestor wurden die Gegendemonstranten gestoppt, allerdings war diese Aktion nur kurz erfolgreich. An der Münchner Freiheit angekommen behinderten die bunten Münchner/innen die ca. 100 Pegidioten so erfolgreich, dass deren Vorsitzende H. Meyer den geplanten „Spaziergang“ zum Siegestor absagte. Gewaltbereite Pegida-Aktivisten stürmten daraufhin die Absperrung, wurden aber von der Polizei zurück gedrängt. Die Gegendemonstranten feierten dies mit der „Ode an die Freude“. Unter den Teilnehmern der Pegidioten befanden sich lt. Angaben der Polizei etwa zehn Neonazis und Rechtsextreme…


18 Antworten zu “Gedenkveranstaltung zum 77. Jahrestag der Progromnacht…”

  1. Du bist aber schnell mit dem Bericht! Wir sind vorhin erst nach Hause gekommen und waren ca. 5000 Menschen. Es war so berührend. Du glaubst es kaum: Auf der Fahrt dahin sangen wir „Moorsoldaten“ und mein Sohn sah uns an, als wären wir nicht ganz bei Troste (woher soll er es auch kennen).
    Morgen werde ich berichten. Aber schon Dein Bericht freut mich heute so sehr!
    DRESDEN steht auch endlich mal auf. Ich habe geweint vor Freude, glaub mir! ICH habe GEWEINT – welch Seltenheit.

    • Die demokratischen, friedvollen, menschlichen und freiheitlichen Bürger/innen Münchens haben gestern nicht verloren, die sind dem rechten Gesocks gestern Abend ganz eindeutig und ganz hervorragend in die Parade gefahren.

    • Gerade gestern waren die Kundgebungen und Demos gegen Rechts enorm wichtig und richtig.
      Sehr, sehr gerne! Ich habe mir ganz fest vorgenommen, jetzt, da ich endlich wieder richtig laufen kann, wieder öfters bei „München ist bunt!“ mitzumarschieren.

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