Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

… ist folgendes Szenario Fiktion. Noch…

… Drei Wände des kleinen Raumes sind mit grünen Kacheln versehen, die vierte besteht aus einer fingerdicken Glasscheibe, von einem dicken, schwarzen Kunstoffvorhang verhüllt. Dahinter befindet sich so etwas wie ein kleiner Zuschauerraum, der etwa zwei Dutzend Menschen Platz bietet. In Nähe des großen Fensters steht eine mit etlichen Gurten versehene, gepolsterte Liege. Die Tür öffnet sich. Ein Mann mittleren Alters, ein Afroamerikaner, gekleidet in einen orangefarbenen Overall, wird von zwei Wächtern in Uniform herein geführt. Zwei Kameras beginnen leise zu surren…

…In einem Büro der Gefängnisverwaltung, welches zum „Medienraum“ umfunktioniert worden ist, beugt sich der Regisseur konzentriert über mehrere Monitore. „Zoom‘ mal auf das Gesicht des Burschen!“, weist er per Mikro einen der Kameramänner an. Nur Augenblicke später sind die scharfen Züge von Earl W. Hinges in allen Einzelheiten auf den Bildschirmen zu sehen. Fünfzehn Jahre zuvor war der Gelegenheitsarbeiter des Mordes an zwei Polizisten wegen zum Tode verurteilt worden. Ein sogenannter Indizienprozess. Bis zuletzt bestanden durchaus begründete Zweifel an seiner Schuld. Drei Mal war die Hinrichtung verschoben worden. Nur wenige Minuten vor Mr. Hinges‘ Gang zur Todeszelle hatten der Gouveneur und der Oberste Gerichtshof ein allerletztes Gnadengesuch abgelehnt…

… Während Earl W. Hinges sich auf die Liege begibt und fest geschnallt wird, nehmen im kleinen Zuschauerraum die Angehörigen der Opfer und einige Zeugen Platz. Die dort installierte Kamera zeichnet grausam und unerbittlich jedes Mienenspiel auf…

… Ein Arzt betritt den Hinrichtungsraum. Er entblößt die fixierten Arme des Verurteilten bis zu den Ellbogen und legt zwei Zugänge für Kanülen, lange, dünne, durchsichtige Schläuche führen in das kleine Gelass der Vollzugsbeamten. Der Mediziner befestigt die Nadeln, überprüft noch einmal deren Sitz, dann verlassen die Wächter und er die Todeszelle…

… Über Lautsprecher wird Earl W. Hinges aufgefordert, seine letzten Worte zu sprechen. Mittlerweile hat man die schwarzen Vorhänge zurück gezogen, der Zuschauerraum, mattdunkel im Vergleich zur grell erleuchteten Zelle, ist zu sehen. Der Todeskanditat wendet sein Gesicht den undeutlich auszumachenden Menschen zu. Gemessen und ruhig klingt er, als er ein allerletztes Mal seine Unschuld beteuert und davon spricht, dass er all Jenen verzeiht, die sich an seinem ungerechtfertigten Tod mit schuldig machen würden, dass er ihnen Frieden, Verstehen und ein gutes Leben wünsche…

… Nur wenig später drückt einer der zwei Vollzugsbeamten einen schwarzen Knopf. Computergesteuert wird die erste Injektion eingeleitet. Mr. Earl W. Hinges verliert das Bewusstsein. Danach werden die Kanülen mit einer Salzwasserlösung durchgespült. Die zweite Injektion lähmt sämtliche Muskeln mit Ausnahme des Herzens. Wieder eine Spülung. Die dritte Injektion folgt – das Herz des Menschen Earl W. Hinges hört auf zu schlagen…

… Der überaus renommierte amerikanische Fernsehsender C…. hatte sich im Vorfeld die Exklusivrechte an der Live-Übertragung dieser Hinrichtung durch eine mehrere Millionen Dollar schwere Zahlung an die Justizbehörde erkauft. Ein Todesurteil zu vollstrecken ist teuer, es kostet die amerikanischen Steuerzahler jeweils an die 2 Milliarden US-Dollar…

… Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit wohnten der Live-Sendung aus dem Gottenham-Prison bei! In den folgenden 48 Stunden klickten noch einmal über eineinhalb Milliarden das nur minimal gekürzte Video auf YouTube an…

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34 Antworten zu “Noch…”

  1. hallo,

    schrecklich … ja, der 24jährige simoncelli ist vergangenen sonntag mit seinem motorrad verunglückt … ich war geschockt, um ehrlich zu sein … ich schau immer moto gp und bin selbst motorradfahrerin … gut, die jungs werden nicht gezwungen, zu fahren, sie tun es freiwillig, halsbrecherisch und leidenschaftlich. trotzdem ist so ein unfall ein echter schock …

    ich wollte mir dann auch gar nicht ansehen, wies passiert ist, nachdem man ja hörte, dass sein helm vom kopf flog und zwei seiner kollegen noch über ihn drüber gefahren sind …

    und dann musste ich es unfreiwillig ansehen, als ich zufällig wartend fernseh -n24 glaub ich- schaute … schrecklich … und schwer, die bilder wieder aus dem kopf zu kriegen …

    ich wünsch dir trotzdem einen sonnigen freitagnachmittag.

    es grüßt dich. die m.

    • Mittlerweile ist’s fast schon wie im „alten Rom“ und im Mittelalter – das Töten und Sterben von Menschen wird zur Volksbelustigung. Das Video von Simoncelli’s tödlichem Unfall, die Handy-Bilder von Gaddafi’s Leiche, Osama bin Laden’s Tötung wird live ins Weiße Haus übertragen…
      Hab‘ ein schönes und sonnenvolles Wochenende!
      Herzliche Grüße!

      • ja, das stimmt … wir werden aber auch überall mit diesen themen konfrontiert, finde ich … wenn man den fernseher anmacht, die zeitung aufschlägt … man kommt fast nicht dran vorbei … und natürlich schaut man dann auch hin … irgendwie wohnt uns menschen das sensationslüsterne halt inne … mal mehr … mal weniger …

        ganz andres thema: darf ich dein blog verlinken? dann komm ich leichter zu dir her her … nur, wenns dir recht ist … wollt das nicht ungefragt tun … und wenn ja, sagst mir bitte einfach den namen, den ich verwenden soll …

        wünsch dir was …

        • Ich finde, wir werden in der heutigen Zeit zu sehr mit diesen Themen konfrontiert. Und zwar von Kindesbeinen an. Mord und Totschlag, Gewalt und Verbrechen begleiten unser Leben ja dank der modernen Medien von morgens früh bis abends spät…
          Meine Liebe, du darfst sehr gerne unter dem Namen „Freidenkerin“ meinen Blog verlinken. 😉 Ich freue mich darüber und danke dir sehr!
          Herzliche Grüße!

  2. Ich wundere mich immer wieder darüber, wie abgebrüht manche Menschen doch sind. Langsamfahren und Gaffen bei Unfällen ist schon völlig normal. Als ich vor ein paar Wochen an einem kurz zuvor passierten Autounfall auf einer Landstraße von der Polizei um die Unfallstelle herum geleitet wurde und die Ersthelfer bei ihren Bemühungen sah, war ich den ganzen Tag völlig daneben. Jedesmal, wenn ich jetzt an der Stelle vorbeifahre, sehe ich die schrecklichen Bilder vor mir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mir jemals eine „echte“ Hinrichtung anschauen würde.
    LG von Rosie

    • Es scheint wohl so, dass das Leben eines Menschen allmählich wieder an Wert verliert. Eine ganze Weile lang gab es ja so ein bisschen Hoffnung, dass sich die Menschheit diesbezüglich weiter entwickeln würde. Aber das ist wohl leider, leider nur eine befristete Randerscheinung gewesen…
      Nie und nimmer würde ich mir so etwas anschauen! Ich guck‘ auch stets weg, wenn im Fernsehen nach Bombenanschlägen, Selbstmordattentaten usw. die Bilder von den Leichen und Verwundeten gezeigt werden…
      Liebe Grüße!

  3. vielleicht bin ich ueberempfindlich, aber ich mag so etwas gar nciht ansehen. Weder im Fernsehen noch sonstwo. Da bekomme ich ein so grausiges Gefuehl, das muss ja wirklich nicht sein.

  4. Man muss jedoch unterscheiden, ob man sich zwingt, die grausamen Bilder anzuschauen, weil es die Gefühle verstärkt und damit erst authentisch wird (Empfindet man eventuell auch Hass gegenüber den Tätern mit allen Konsequenzen?)…

    …Oder weil man sensationslüsternd sein eigenes lächerliches Leben damit aufwerten will…

    • Mit dem Verstärken der negativen Gefühle gegenüber Einzelpersonen, religiöser oder politischer Gruppen spielen die Medien sowie Politik und Industrie heutzutage ja sehr gekonnt…
      Ja, manche fühlen sich halt wohl „mittendrin statt nur dabei“, wenn sie dergleichen via Glotze oder Internet verfolgen können…

      • Ja, das ist richtig, man kann damit böse manipuliert werden, weil die Bilder ungefiltert auf Psyche & Seele wirken.
        Jedoch gehören einige der Bilder auch zur Meinungsbildung und zum Verständnis der Betroffenen. Sie dürfen allerdings nie Mittel zum Zweck werden und eine Überdosos darf nicht zum Abstumpfen führen.

        • Ich habe es grade in meiner Antwort zu April’s Kommentar erwähnt: Grade Menschenrechts-Organisationen wie Amnesty International müssen diesbezüglich deutliche Bilder und Worte öffentlich machen, um die Menschen wach zu rütteln. Ich habe seit vielen Jahren schon den Eindruck, dass wir mit der Reizüberflutung von Primitivitäten und Gewalt quasi ruhig gestellt werden sollen. Wessen Sensationsgier und Schadenfreude und andere niedere Instinkte stets am Köcheln gehalten und befriedigt werden, der hat kein Interesse mehr daran, seinen kritischen Verstand zu schulen…

  5. Ich will sowas weder sehen noch will ich das genau wissen. Es scheint wohl in der Tat zunehmend so zu sein, dass sich Menschen an Schrecklichkeiten ergötzen. Einfach nur furchtbar. Hoffentlich widersetzen sich die Medien solchen Tendenzen (obwohl es ja eher anders aussieht).

    • Da geht es dir ebenso wie mir!… Obwohl ich der Meinung bin, dass man in gewählten Worten durchaus auf das Procedere einer nach wie vor in vielen Staaten der Welt gebräuchlichen Hinrichtung hinweisen sollte/muss. Menschenrechts-Organisationen wie Amnesty International tun dies seit vielen, vielen Jahren. So lange dergleichen sich nach wie vor von Politik und dem Volk quasi „abgesegnet“ zutragen darf, haben wir keinerlei Recht, uns als zivilisiert zu bezeichnen…
      Nein, ich glaube, dass sich die Bereitschaft der Medien, Gewalt offen darzustellen, eher noch verstärken wird. Das bringt Zuschauerzahlen – und die den Mammon. Das sieht man ja jetzt schon an diesen schier unerträglich primitiven „Doku-Soaps“. Da werden doch weder primitive Peinlichkeiten und Kränkungen ausgelassen – und die Zuschauerzahlen sprechen Bände, obwohl mittlerweile längst klar sein müsste, dass da nach vorgefertigten Drehbüchern agiert wird…

  6. Schrecklich !!

    Und da gehts mir wie Vivi, ich schau mir so etwas absolut nicht an, weder im TV noch sonst wo. Auch nicht in der Presse!

    Die so etwas mit Interesse anschaun, egal wo
    sind ebenso schuldig (finde ich) und in meinen Augen völlig gefühlskalt und Sensationslüsten.

    Herzlichst.

  7. Das ist purer Sensationsjournalismus. Solche Bilder gehören nicht ins Fernsehen oder auf ein Video. Wenn junge Leute das geil finden, dann haben sie einen an der Waffel. Ich wünsche dir ein schönes und sonniges Wochenende. L.G. Ludger

    • Yepp! Das sehe ich auch so! Es ist aber leider, leider so, dass dieser „Trend“ zunimmt. So was scheint „tolle“ Quoten und somit ordentlich Profit zu bringen…
      Ich wünsche dir auch ein sonnenvolles und entspanntes Wochenende!

  8. Margot, du sagst es. Wenn es Quote bringt, dann ist heute wohl alles „erlaubt“. Und es gibt leider immer mehr Leute, denen kann es nicht brutal genug sein. Nur das bringt noch den Kick, den sie ständig suchen. Die Hemmschwelle, sowas anzusehen, verschwindet dann fast völlig.

    • Und so schwindet der Respekt vor dem Leben, der Würde und der Unversehrtheit des Nächsten zusehends. Und macht der skrupellosen Jagd nach Zuschauerzahlen, nach Klicks, Werbeeinspielungen, Reibach, neuen Glaubens- und Partei- und Kampfgenossen Platz…

  9. wie perfide ist das denn ! ich bin entsetzt was so ein sender es sich kosten lässt, um einen menschen sterben zu sehen – der bis zuletzt seine unschuld beteuert – und wo ein solches urteil nur durch indizien vollstreckt wird !
    die würde des menschen, gilt die in amerika nix ? anscheinend ist es ja so !
    ich könnte kotzen, das solche methoden nicht per gesetz verboten werden ! mr. präsident please you can !

    • Carry, Carry!!! Diese Geschichte ist noch (!!!) nicht in der Realität passiert! Ich habe diese Kurzgeschichte erfunden! Eine Bemerkung in einem Post einer Mitbloggerin, den ich neulich gelesen, und eine recht perfide Unterhaltung zweier Jugendlicher über das YouTube-Video vom Unfalltod des jungen Motorradweltmeisters Simoncelli haben mich dazu bewegt, diesen Artikel zu schreiben!!!
      Doch wenn sich der jetzige Trend zur Darstellung von Gewalt und die Respektlosigkeit vor dem Tod sich weiterhin fortsetzen wird, dann wird es wohl nicht mehr allzu lange dauern, bis meine Erzählung Realität werden wird…
      Dass in den USA in etlichen Bundesstaaten immer noch Hinrichtungen mittels Todes-Injektionen, sowie dem Elektrischen Stuhl durchgeführt werden, ist allerdings ein trauriger Fakt. Fakt ist auch, dass eine erkleckliche Anzahl der zum Tode Verurteilten höchstwahrscheinlich unschuldig der Verbrechen sind, derer man sie angeklagt hat, sie sich aber zumeist keine adäquate Verteidigung leisten konnten. Ebenfalls Fakt ist, dass mehr als drei Viertel aller Todeskandidaten in amerikanischen Gefängnissen Afroamerikaner sind…

      • oops,ich glaube da habe ich was überlesen und zwar den abschnitt unter dem foto SO SORRY!
        aber diese vision – kann ich mir gut vorstellen !
        liebe grüsse !

        • Das macht doch nichts, Carry! Ich hatte mich nur um dich gesorgt, weil du gar so geschockt gewesen bist…
          Ja, ich befürchte auch, dass es nicht allzu lange dauern wird, bis diese Vision Realität wird.
          Herzliche Grüße!

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