Marthas Momente-Sammlung

Glück ist die Summe schöner Momente

Eine urbayerische Gaudi…

… während langer, finsterer Herbst- und Winterabende ist das Kartenspiel Watt’n. Mein Vater und sein jüngerer Bruder haben’s mir beigebracht, als ich so zehn Jahre alt gewesen sein mochte…

… Es wurde – und wird hoffentlich immer noch! – besonders in ländlichen, bayerischen Wirtschaften und Gasthäusern an den Stammtischen ausgesprochen gerne – hm! – zelebriert, kann man schon fast sagen. Eine Schar Mannsbilder beim Watt’n und Kiebitzer (in die Karten Schauende) können einen ganzen Saal unterhalten, es wird geschauspielert, diskutiert, geschrieen, überboten, vor Ärger auf den Tisch gehauen, die Haare gerauft, es ist schlicht und ergreifend eine wahre Gaudi…

Das Spiel…

… ist das Altbayerische Kartenspiel, welches auch zum Schafkopfen verwendet wird, allerdings ohne die Sechsen…

…Die Farben (von links nach rechts): Eichel, Schelle, Gras und Herz…

… Am interessantesten und lustigsten ist Watt’n, wenn es zu Viert gespielt wird. Die beiden schräg gegenüber Sitzenden helfen jeweils zusammen…

… Dies sind die drei höchsten Trümpfe: Der Herzkönig, Max genannt, er sticht alles ohne Ausnahmen, der Schell-Siebener, der heißt Schelli bzw. Belli und sticht alles außer den Max, und der Eichel-Siebener, man bezeichnet ihn als Spitz oder Soacher, darf alle Trümpfe außer Max und Belli stechen…

… Es werden fünf Karten pro Spieler ausgeteilt, der linkerhand neben dem Geber platzierte bestimmt danach den Trumpf-Schlag, also As, König, Ober, Unter, Zehner etc., der Vordermann die Trumpffarbe…

… Hier lautet die Ansage des Schlags eindeutig As. Zwei „Kritische“, also Haupttrümpfe – Spitz und Belli – noch dazu, und einen Partner mit einem halbwegs guten Blatt auf der Hand, da hat man gute Chancen, dieses Spiel für sich zu entscheiden…

… Nun bestimmt der links oder gegenübersitzende Spieler die Trumpffarbe, quasi für die Gegenpartei. Und da gibt es keinen Zweifel, Eichel ist’s, man hat mit dem Gras-As insgesamt vier Trümpfe auf der Hand, zwar keinen „Kritischen“, aber verloren ist da noch gar nie nix!…

…Außerdem, wer weiß, was der Partner so alles zu bieten hat. Und jetzt wird’s drollig, weil sich nämlich die Spieler untereinander über die Stärke ihrer Karten informieren. Lautlos, mit Grimassen und Gesten. Ein Kussmund ist das Zeichen für den Max. Rechts zwinkern bedeutet Belli, links Spitz. Zucken mit dem rechten Zeigefinger: Man kann mit einem guten Trumpf aufwarten. Zucken mit dem Mittelfinger: Na ja, net schlecht, aber halt a nix Überwältigendes. Zucken mit dem kleinen Finger: Bloß a ganz a kloans Trümpferl. Augen gen Himmel verdrehen meint „Plafond“, man hat nix, aber auch gar nix Brauchbares auf der Hand…

… Eine Spiel zählt zwei Punkte, zwölf Punkte zählt eine Partie insgesamt, die Verlierer erhalten das sogenannte Pummerl. Beim dritten Stich wächst die Hochspannung. Welches Duo geht als Sieger hervor? Wenn eine „Mannschaft“ gut zusammen agiert und sicher ist, dann kann sie „ausschaff’n“, das heißt, die Gegner zur Aufgabe auffordern: „Gemma!“ oder „Schleicht’s euch!“. Haben die Angesprochenen nur mehr wenig zu bieten, dann werden sie daraufhin lamentierend, wehklagend oder fluchend wie die Fuhrknechte ihre Karten auf den Tisch werfen. Wenn sie allerdings davon überzeugt sind, noch so gut bestückt zu sein, um das Spiel doch für sich entscheiden zu können, dann entgegnen sie laut und barsch die Punktzahl steigernd: „Drei!“ – „Vier!“ – „Fünf!“ Oh, oh! Der Gegner ist eine harte Nuss! Man kann sich hoch steigern, bis zwölf Punkte erreicht sind, dann heißt’s : „Ausg’schafft is‘!“ Und es folgt der Augenblick der Wahrheit…

… Vor Beginn der munteren Runde ist bereits entschieden worden, wie viele Pummerl insgesamt ausgetragen werden. Und was ein solches Pummerl wert ist, denn a bisserl a Belohnung soll’s nach so viel Einsatz von Hirn, Lautstärke, schauspielerischen Talenten, auch Muskelkraft schon geben! Es wird um Geld genau so gern gespielt wie um einige Runden Bier oder Schnaps. Ich meinerseits habe vor vielen Jahren einmal mit einem Ex-Chef als Partner um Frankenwein gewattet, pro Pummerl ein Bocksbeutel. Und wir hatten eine dermaßen starke Gewinnsträhne, dass ich danach die Lokalität auf allen Vieren verlassen musste…

Ich hoffe sehr, dass Watt’n, diese prächtige, zünftige, lebensvolle Gaudi, trotz hochmodernster elektronischer Spielereien auch heutzutage noch in den bayerischen Wirtschaften weiterhin gebührend gewürdigt wird…


37 Antworten zu “Eine urbayerische Gaudi…”

  1. Bayerisch Wattn – da komme ich nicht so mit klar. Grade wegen diesem Zusammenspiel und dem Ansagen der Trümpfe…
    Ich spiele lieber Böhmisch Wattn. Da spielt jeder gegen jeden und macht irgendwie doch mehr Gaudi.

    Ja, das Spiel hab ich tatsächlich hier gelernt – ebenso wie Neunerln.

    • @Worti: Böhmisch Wattn habe ich auch recht gerne gespielt. Irgendwie erinnert mich das ein bisserl an Pokern. Wir haben seinerzeit in meinen wilden, wilden Jahren stets um Geld gespielt, ein Weilchen habe ich mich damit ganz passabel über Wasser halten können. 😉

    • @Sunny: Jaaaa. Oder Rommé. Des hamma früher beim K… in der Bayerischen Staatsoper so gern g’spuilt. Mia ham a Stund lang Mittagspause g’habt und ham unser Ess’n in fünf Minuten obi g’schlunga, bloß damit ma vui Zeit zum Rommé spuiln ham. Mit dem ausg’spuilten Geld samma dann zwoamoi im Jahr so richtig fesch ausganga.

  2. Reschpekt, liebe Margot, du hast das Spiel fantastisch erklärt – und ich kann das beurteilen, weil ich das Wattn kurz nachdem ich abgestillt wurde, erlernt hab! 😉
    Letzte Woche hab ich mit meiner Freundin, ihrem Mann und ihrer Tochter einen ordentlichen Schafkopf hingelegt – da würd mich deine wissenschaftliche Erklärung dazu schon auch sehr interessieren!
    Liebe Grüße
    Renate

    • @Quizzy: Danke dir! 🙂
      Oh, was das Schafkopfen betrifft, da muss ich mit einer wissenschaftlichen Erklärung leider, leider passen. Ich habe mich nie sonderlich für dieses ebenfalls urbayerische Spiel interessiert und mir von daher auch keine Mühe gegeben, es zu lernen. Aber ich bin sehr gerne bereit, das nach zu holen. Vielleicht mal im „Schellingsalon“? 😉
      Herzliche Grüße!

  3. Gelesen habe ich die ausführliche Spielanleitung nur teilweise. Wäre ich also „heimisch“ geblieben, hätte ich jetzt vielleicht statt meines geliebten „Doppelkopfes“ Watt’n gespielt. Die Grimassen hätte ich sicher gut hinbekommen.
    Bei Himmelhochs wird dennoch weiter geskatet oder doppelgekopft.

    • @Himmelhoch: Gut möglich, dass wir, wenn du hier aufgewachsen wärst, zünftig am Stammtisch Watt’n spielen würden. 😉
      Skat und Doppelkopf kann ich leider nicht, genau so wie Schafkopfen, das ich aber sehr gerne lernen würde.

  4. Liebe Martha, das ist ein mir völlig unbekanntes Spiel. Aber scheint ja Kult zu sein. Anscheinend hast Du ja auch schon Mitspueler gefunden. Da würde ich gern Mäuschen spielen.😉🤣
    Bei uns wird mittwochs Romme‘ gespielt und roter Wein getrunken. Da freue ich mich die ganze Woche darauf.
    Viele Grüße
    Hedwig

    • Leider, leider habe ich seit vielen Jahren schon nicht mehr Wattn gespielt. Und dieses Kartenspiel ist, so weit ich weiß, auch nur in Süd- und Niederbayern bekannt. Und ich fürchte, dass es nicht mehr viele junge Leute gibt, die damit vertraut sind…
      Rommé habe ich früher auch sehr gerne gespielt, in der Mittagspause während meiner Arbeit in der Bayerischen Staatsoper. Die Verlierer:Innen mussten immer 50 Pfennig in eine Kasse blechen, und einmal im Jahr sind wir von dem Geld feudal Essen gegangen. 🙂
      Liebe Grüße!

  5. That sounds like a lot of fun!
    Those playing cards are quite interesting. I’ve never seen a deck like that before.
    Take care, Martha!

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